
© Manfred Thomas
Kultur: Beethoven, Schokolade und Stille
Knut Andreas dirigiert seit dreizehn Jahren Potsdams ältestes Orchester: das Collegium Musicum
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Wie ihm denn Loriot als unfreiwilliger Dirigent der Berliner Philharmoniker gefällt? „Oh, das ist eine ganz hervorragende Nummer“, kommt die prompte Antwort. „Das wissen vielleicht die wenigsten“, schiebt Knut Andreas hinterher, „dass Loriot der Klassik sehr verbunden war. Der hat schließlich auch Opern und Operetten inszeniert.“ Eine Oper wird auch der Leiter des Potsdamer Collegium Musicum am Wochenende dirigieren.
Passend zur Vorweihnachtszeit arbeiten die siebzig Musiker derzeit an Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Die szenische Aufführung, die anlässlich des 90. Todestages des Komponisten, der auf dem Stahnsdorfer Friedhof liegt, aufgeführt wird, ist ein Gemeinschaftswerk des Orchesters mit Gesangssolisten der Kreismusikschule „Engelbert Humperdinck“, der Name sei sozusagen der Aufhänger für die Kooperation gewesen.
Zuvor hatte der Dirigent und Leiter des ältesten Orchesters der Stadt allerdings noch einen sehr speziellen Ortstermin zu erledigen und besuchte gerade zum dritten Mal das Land seiner Sehnsüchte. „Brasilien lässt mich nicht los“, sagt er, der mittlerweile fließend Portugiesisch spricht. Die Liebe begann 2009, als er ein Lied von Eliana Printes hörte. Andreas schrieb gerade an einem Requiem für Saxophon, der Song der brasilianischen Sängerin ging ihm nicht aus dem Kopf. Um ihn in sein Werk einzubauen, nahm er zur „Klärung der rechtlichen Dinge“ Kontakt zu Printes auf. Das Requiem wurde schließlich mit Ralf Benschu am Saxophon uraufgeführt, doch Andreas wollte mehr von dieser Musik aus dem traumhaften Land. Die Idee zur Brasilianischen Nacht ward geboren.
Klassik auf dem Weberplatz, damit hat er, hat das Collegium Musicum stets ein glückliches Händchen gehabt in den letzten drei Jahren. Tango, Carmina Burana, dann Printes. Besonders dieses Jahr mutete er seinen Musikern – Studenten, Ärzte oder Angestellte und Profimusiker im Ruhestand – einiges zu. Aber die Weiterentwicklung sei ihm wichtig. „Ich spiele gern neben der Hauptstraße, eher unbekannte Stücke. Wir machen schließlich kein Klassik-Radio“, sagt er.
Natürlich war die brasilianische Nacht eine „rhythmische Herausforderung“, aber sie hätten sie gut gemeistert. In Vorbereitung dieses Konzerts war Andreas das erste Mal in der Heimat der Printes, wenige Monate später erneut. Er wird als Gastdirigent empfangen, darf Konzerte geben. Die Herzlichkeit der Menschen, das fantastische Essen, die Leichtigkeit, mit der man dort durchs Leben geht, das alles begeistert ihn. Wenn ich da bin, sagt er, muss ich das deutsche Wesen halt ein bisschen zurückdrängen. Und wenn er Glück hat, hält die südländische Entspanntheit nach der Rückkehr ein paar Wochen an.
Und dann wieder eine Reise nach Campina. Mit den dortigen Sinfonikern gab es unter seiner Leitung zwei ausverkaufte Konzerte, darunter Beethovens 6. Sinfonie, die man gern mit dem Frühlingserwachen in Verbindung bringt. „Ich bin zwar ein deutscher Dirigent – aber weiß ich deshalb, wie Beethoven geht? Ich weiß etwas über den deutschen Frühling, und der ist anders als der in Brasilien“, sagt er, nun, da hier die Blätter vom Himmel wehen. Das sei eben die Herausforderung für einen Dirigenten: musikalische Vorstellungen mit Gesten zu vermitteln. Klar dürfe man motorisch auch nicht unterentwickelt sein; während die rechte Hand einen Viervierteltakt schlägt, zeigt die linke Dynamik und Melodielinie. „Man will ja keinen Viervierteltakt hören!“ Die Raumakustik muss berücksichtigt werden, die Bedürfnisse der Gesangssolisten, die vielleicht eigene Vorstellungen vom Tempo haben. Was will die Regie, was braucht die Bühne? „Was dann rauskommt, ist ein absolutes Team-Produkt“. Und dann, bei heißer Schokolade in einem Babelsberger Café, sagte er den Satz, der natürlich kommen musste: „Ich wollte schon immer Dirigent werden.“
Knut Andreas wird 1979 in Potsdam geboren, studiert zuerst einmal Musik, Pädagogik und Germanistik. Seit er neun ist, spielt er Geige, dann kommt die Bratsche hinzu, Klavier und später das Fagott. Aber im Grunde wusste er immer, sagt er, dass er auf die andere Seite gehört. Seinen ersten Dirigier-Unterricht bekommt er bei Roland Reuter, damals Kapellmeister der Brandenburger Philharmonie. Auch der amerikanische Dirigent Dorian Wilson, der in Potsdam wohnt, und Christian Thielemann aus Dresden werden seine Lehrer. Er studiert weiter Musikwissenschaft, promoviert in München. Und kommt doch wieder zurück in seine Heimatstadt, zur Familie, die ihm wichtig ist.
1998, das Collegium Musicum steht kurz vor der Auflösung, wird er Leiter der „zwölf Hanseln“, die damals noch übrig sind. Er schafft es, das Ensemble zu einem vollbesetzten Sinfonieorchester aufzubauen. Heute können sie alles spielen, von Klassik bis „Cross-Over“, alles sei da, Bassfagott und Klarinette, sogar eine Harfe leisten sie sich. Er lacht und sagt: Wie er anfangs da vorn rumgefuchtelt hätte, das sei sicherlich ganz amüsant gewesen. Das „Rumfuchteln“ beginnt eher zufällig, vielleicht als mal jemand für den Schulchor gebraucht wurde und Knut Andreas einsprang.
Seitdem lässt es ihn nicht mehr los. Er will Musik gestalten, ein Werk, sein Werk entstehen lassen. Und ein wenig blitzt in seinen Augen das selbstbewusste Wissen auf, dass es nicht unwesentlich von ihm abhängt, ob etwas gelingt oder nicht.
Humperdincks Kinderoper „Hänsel und Gretel“ ist zu sehen am 25.11. um 19.30 Uhr, 26. 11. um 11 Uhr und am 27.11. um 11.30 und 15 Uhr, Bethlehemsaal, Schulstr. 8c, Babelsberg
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