Kultur: Bekämpfen, berühren, begehren ...
Die Companie „Déja Donné“ bei den Potsdamer Tanztagen
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Die Companie „Déja Donné“ bei den Potsdamer Tanztagen Der Mensch – abwehr- und kampfbereit gegenüber dem Fremden, begierig nach Zuwendung und Zärtlichkeit, unnachgiebig ringend und fesselnd um den Besitz der geliebten Person, blindwütig und brutalzornig beim Verlassenwerden. Diesen emotionalen Kosmos menschlicher Beziehungen scheint die Tanzcompanie „Déjà Donné“ (Italien/Tschechien) mit ihrem Stück „There where we were" mit ungebremster, obsessiver Intensität ausleben zu wollen. Auf- und Abgang der zwei Tänzerinnen und des Tänzers signalisieren: Hier handelt es sich um ein Durchspielen von Varianten. In einigem Abstand voneinander schreiten sie gemessenen Schrittes an die Ränder des Spiel-Platzes, stellen sich sportlich diszipliniert an den verschiedenen Ecken des diffus ausgeleuchteten Lichtrechteckes (sensibel abgestimmtes Lichtdesign von Vincent Longuemare). Sie werden das Spielfeld betreten und sich in die Handlung werfen, sie werden das Spielfeld verlassen, um mehr oder minder uninteressiert der Aktion der anderen zu folgen. Und am Schluss werden sie gemessenen Schrittes, in einigem Abstand voneinander den Kampfplatz wieder verlassen. Eröffnen wird den Reigen die japanische Tänzerin Masako Noguchi, angetan mit einem purpur lodernden Kleid. Exaltiert wirft und rudert sie mit ihren Gliedmaßen, wirft mit explodierender Kraft ihren Körper herum, wie getrieben von einem inneren Schmerz, wie besessen von einem Geist, gegen dessen Herrschaft sie sich mit ihrem ganzen Sein entgegenzuwerfen versucht. Nun tritt eher kühl, wie ihr türkises Kleid, Teodora Popova ins Licht und damit ins Visier der roten Tänzerin. Nach anfänglichem Belauern beginnt ein erst unterschwelliger, dann auch offensichtlicher Kampf, der sich bald zu einem buhlerischen Zeremoniell verdichtet. Wie mit stilisierte Karatetechniken kämpfen die Hände und Arme mit einander. Wie lange Stichwaffen suchen sie verwundbare Körperstellen und wehren mit gekonnten Paraden ab. Immer öfter jedoch finden die beiden Tänzerinnen zu einem synchronen Pas de deux, einem wunderbar simultanen Gleichklang der Körper, in dem aber manch abrupte Bewegung zu einem schmerzlichen Schlag gegen den anderen wird. Aus klatschenden Schlägen werden zärtlich verharrende Entdeckungen des anderen Körpers. Mit bedachter Sanftmut legen sich Hände auf Hüfte und Schenkel, streifen über Brüste und Scham, reiben sich die Körper aneinander, zerfließen in begehrender Zweisamkeit. Doch aus sinnlicher Berauschtheit wird kettender Besitzanspruch. Die rote Tänzerin lässt nicht mehr von der türkisen. Mit verbissenem Verlangen krallt sie von hinten der Geliebten ihre Hände in Brust und Scham. Erst nach vielem vergeblichem Aufbäumen gelingt es der so geknebelten sich zu befreien. Jetzt in Freiheit besinnt sie sich offensichtlich und will zur Geliebten zurückkehren. Nun kommt der Mann ins Spiel, wird von der roten Tänzerin als Mittel der Rache instrumentalisiert. Die Türkise geht, stellt sich in Hab-Acht-Stellung am Rande auf. Der gleiche Kampf mit wechselnder Personage beginnt von vorn. Mann und Frau kämpfen, streicheln, reiben sich. Gewalt und Zärtlichkeit gehen miteinander einher. Das Moment der Gewalt gewinnt jedoch bedrohlich die Oberhand. Es droht Vergewaltigung. Ernüchterung macht sich breit. Mit wechselnden Allianzen beginnt alles von vorn. Es kämpft und liebt jeder mit jedem gegen jeden. Die oben beschriebenen Tanzposen und -positionen werden nur unwesentlich verändert. Irgendwann hat sich die Formensprache der Inszenierung von Lenka Flory aus Tschechien erschöpft. Trotz des expressiven und hochartifiziell ausgeführten, unbedingt ansehenswerten Bewegungsvokabulars der Tänzer zu einer sparsam wie wirkungsvoll inszenierten Musik gebricht es der Produktion zum Ende hin an poetischen Ideen. Das mag auch der Grund für die eher unentschiedene Reaktion des Publikums gewesen sein. Die eine Hälfte trampelte euphorisch, die andere reagierte eher verhalten.Frank Jast
Frank Jast
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