Kultur: Bella Italia
Ingo Schulze liest heute im „Galerie-Caffé 11-line“
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Die stete Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie in seinem literarischen Werk ist vielleicht einer der Gründe, warum der Schriftsteller Ingo Schulze 2009, zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, einer der meistbefragten Autoren der ostdeutschen Literaturszene war. Das Thema DDR war immer präsent in seiner Arbeit. Mit seiner jüngste Veröffentlichung „Orangen und Engel – Italienische Skizzen“, aus der Ingo Schulze am heutigen Mittwoch im „Galerie-Caffé 11-line“ liest, hat er erneut einen persönlichen Lebensabschnitt thematisiert. Doch dieses Mal ist es nicht die jüngste deutsche Geschichte, über die Schulze schreibt.
Ingo Schulze bekam 2007 ein Stipendium in der Villa Massimo, der Deutschen Akademie in Rom. Die während dieses Aufenthaltes entstandenen Skizzen sind jetzt, zusammen mit Bildern des Fotografen Matthias Hoch, ebenfalls Stipendiat, in „Orangen und Engel“ erschienen.
Mit den Augen eines Stipendiaten, der keinen Namen bekommt, hinter dem man aber sofort die Figur des Autoren erkennen möchte, folgt der Leser dem Geschehen. Doch was auf den ersten Blick wie ein Stück italienisches Lebensgefühl daher kommt, überrascht ganz unerwartet. Hier wird kein verklärtes Bild des Südens gezeichnet, mit seinen Cafés, der Landschaft und den kulturellen Schätzen. Der Protagonist hält sich an Alltäglichkeiten auf, skizziert einen verregneten Tag in Randozzo, erzählt die Lebensgeschichte des Candy Man oder beschreibt einen etwas absurd verlaufenden und aprupt endenden Abend bei Armandi dalla G. und seiner Frau Giovanna. Nur halb ausgezeichnete Figuren, Szenen, Bilder, sich oftmals nicht erklären und trotzdem ein Bild ergeben und etwas fernab von Goethes Italienreisen oder anderen träumerischen Erinnerungen ihren Platz finden. Die Bilder des Fotografen transportieren hervorragend das, was Ingo Schulze in seinen Geschichten herauf beschwört. Schnappschüsse, die gleichzeitig Skuriles, beinahe Hässliches, oft Banales einfangen
Mit „Neue Leben“ erschien 2005 ein 800 Seiten umfassendes Stück Literatur faustischer Tradition, in dem Ingo Schulze anhand der Figur des Dramaturgen und Journalisten Enrico Türmers ein Stück deutsche Geschichte erzählt, die vor allem die Transformation des Systems DDR in den Mittelpunkt stellt. Endlich schien das Buch gekommen, das nicht nur Kritiker immer wieder gefordert hatten: Den ultimativen Wenderoman. Nicht das erste Mal hatte sich der 1962 in Dresden geborene Schulze mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt. 1998 erschien sein Erzählband „Simple Stories“, eine Ansammlung ganz unterschiedlicher und in knappem Ton skizzierter Wendeschicksale. Auch später, in „Adam und Evelyn“, dem 2008 erschienene Roman, in dem ein Stück moderne Schöpfungsgeschichte erzählt wird, hat Ingo Schulze das große Thema der Vor-und Nachwendezeit noch einmal aufgegriffen und mit Damenschneider Adam eine Figur gezeichnet, die eine Nische gefunden hatte in diesem System DDR und plötzlich herausgerissen wird aus dem vermeintlichen Paradies. Andrea Schneider
Ingo Schulze liest am heutigen Mittwoch, 19.30 Uhr, im Rahmen der 19. Berlin-Brandenburgischen Buchwoche im „Galerie-Caffé 11-line“, Charlottenstraße 119. Am morgigen Donnerstag liest um 19.30 Uhr die Potsdamer Autorin Julia Schoch in der Stadt- und Landesbibliothek, Am Kanal 47, aus „Mit der Geschwindigkeit des Sommers“, am Freitag dann der Brandenburger Krimi-Autor Jean Wiersch um 19.30 Uhr in der Zweigstelle Waldstadt, Saarmunder Str. 44, aus „Haveljagd“
Andrea Schneider
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