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Kultur: Beredter Stimmungsmaler

Das Fontane-Archiv hat 18 Briefe von Theodor Fontane an seine Frau Emilie erworben

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18 Originalbriefe, die Fontane in der Zeit von 1889 bis 1898 an seine Frau Emilie geschrieben hat, konnte das Theodor-Fontane-Archiv ersteigern. Die Neuerwerbung sei von hohem wissenschaftlichen Interesse, da drei der Briefe bislang unbekannt waren, sagte am gestrigen Donnerstag Archivmitarbeiterin Anke Hertling. Von den anderen Briefen lagen bislang nur unzuverlässige Abschriften vor, zum Teil mit Auslassungen, weil die Originale sicher unleserlich gewesen seien. „Vielleicht kam es auch zu fehlerhaften Abschriften, sodass Klang und Ton ganz anders ausfallen.“ Erst jetzt könne die Forschung auf die Originale zurückgreifen, so Hertling. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin betonte, dass sich Fontane in seinen Briefen vor allem als ein beredter Stimmungsmaler ausgewiesen habe. „Aber man erfährt auch viel über den privaten Fontane, wenn er sich beispielsweise über das teure Hotel auf seiner Kur in Bad Kissingen äußert.“

Die erworbenen Briefe stammen aus Fontanes letzten zehn Lebensjahren, einer Periode, aus der bislang keine Originale, sondern nur Abschriften bekannt waren. Unter den drei bislang unbekannten Briefen der Serie befindet sich auch der erste Brief aus Bad Kissingen, wohin Fontane 1889 einige Tage vor seiner Frau zum sommerlichen Kuraufenthalt aufgebrochen war. Soeben angekommen, gibt er seiner Frau auf Papier mit Briefkopf des „Hôtel Victoria und Kaiserhof“ eine beredte Beschreibung des Lebens im Hotel. „Ich kam 7¼ hier an und erhielt ein hübsches kleines Parterrezimmer, merkte aber, daß jeder, der seine Ankunft nicht telegraphisch anzeigt, mehr oder weniger unterm Schlitten ist. Dennoch werde ich es nie thun; ich will untelegraphirt auch den Rest der Lebensreise machen. Im Hôtel ist alles gut, nur mit Hammelcoteletts fiel ich gründlich rein und die hier lebenden Engländer müssen auf diese nationale Speise allhier verzichten, sonst sind sie verloren.“, schrieb er am 28. Juni 1889.

Die Briefe wurden zuletzt im Oktober 1933 dem Berliner Auktionshaus Meyer & Ernst angeboten. Nachdem Fontanes Sohn Friedrich, der als Verleger tätig war, den Nachlass vergeblich Bibliotheken angeboten hatte, ließ er ihn versteigern. So wurde der Nachlass verstreut und ging auch an private Sammler. Nun, 80 Jahre später, bekam das Berliner Auktionshaus erneut die Briefe angeboten. Das Fontane-Archiv Potsdam schlug sofort zu, als es davon erfuhr. Über die Kaufsumme bewahrt es Stillschweigen.

Das Archiv stellt die Neuerwerbung anlässlich seiner Tagung „Fontanes Briefe ediert“ vom 18. bis 20. September 2013 in der Villa Quandt in der Großen Weinmeisterstraße der Öffentlichkeit vor.

Die letzten zehn Lebensjahre Fontanes gehörten zu seinen schaffensreichsten. Trotz Krankheiten wie Asthma und Depressionen schrieb er in dieser Zeit seine berühmtesten Romane, wie „Effi Briest“ oder „Der Stechlin“. In den Briefen geht es aber weniger um Literatur und auch nicht um Fontanes Krankheiten. „Es sind zumeist ganz alltägliche Absprachen mit seiner Frau“, so Anke Hertling.

Das Verhältnis Fontanes zu Emilie sei von Liebe und Achtung geprägt gewesen. „Emilie hat auch viel mit ihrem Mann diskutiert. Sie war seine Kritikerin und schrieb viele Werke ins Reine.“ Aber Fontane sei auch ein „Chauvi“ gewesen. Er habe seine Vorstellungen vom Leben durchgezogen. „So beschloss er, als er schon Familie hatte, sich aus der Journalistik zurückzuziehen und Schriftsteller zu werden. Er wollte  einfach Muße zum Schreiben haben. Diese Entscheidung, die finanzielle Folgen für die ganze Familie hatte, traf er, ohne sie vorher mit seiner Frau abzusprechen.“ Fontane habe immer Geldsorgen gehabt.

Das Fontane-Archiv besitzt 20 000 Originalhandschriften des 1818 in Neuruppin geborenen Schriftstellers, der vor seiner Karriere als Journalist, Theaterkritiker und Romancier als Apotheker gearbeitet hatte. Insgesamt gibt es rund 600 bekannte, aber verstreute Briefe, die meisten davon sind an Emilie gerichtet. Das Fontane-Archiv besitzt davon rund 40 als Abschriften und nunmehr 18 im Original. Einer der Briefe ist wenige Tage vor Fontanes Tod datiert, auf den 9. September 1898. Von der Kur in Karlsbad war Fontane nach Berlin gereist. Er schreibt: „Unsre Wohnung gefiel mir wieder sehr gut, trotzdem Berlin eigentlich keine rechte Luft hat. Alles weich und schlaff, also ein Gegensatz zu den Menschen.“

Fontane starb am Abend des 20. September. Kurz danach fand in der Fontaneschen Wohnung die – von Emilie nicht gewünschte – offizielle Verlobung der Tochter Martha mit dem verwitweten Architekten Karl Emil Otto Fritsch statt.

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