Kultur: Bewegende Gesichter
Fotografische Erinnerungen an Jenny Gröllmann im Filmmuseum / Ausstellung und Filme ab 10. Juli
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Über Jenny Gröllmann ist viel geschrieben worden. Jetzt soll ihr Gesicht erzählen. Ein Gesicht, so wandelbar wie ein Garten. Mit zarten Pastelltönen, kräftig-strotzenden Farben und einem verblassend welken Antlitz.
Die Ausstellung, die ab Donnerstag im Foyer des Filmmuseums zu sehen ist, vertraut auf die Kraft der Bilder; auf einen Schatz von 1200 Fotografien, aus dem die Archivarin Birgit Scholz wählen konnte. Sie machen den Großteil des Nachlasses aus, den Jenny Gröllmanns Ehemann, Claus-Jürgen Pfeiffer, im vergangenen Jahr dem Filmmuseum überließ. „Diese so facettenreiche Schauspielerin ist mir während der Arbeit sehr ans Herz gewachsen“, sagt Birgit Scholz, die schon bei mehreren Personalausstellungen „Regie“ führte, sich aber noch nie emotional so tief hineingezogen fühlte. „Da sind der Liebreiz und die Frische der Schauspielerin und dann die letzten Fotos, die zeigen, was Krebs mit einem machen kann. Dennoch blieb Jenny Gröllmann bis zu ihrem Tod lebensbejahend.“
Die Fotoschau, die auf jegliche Kommentare verzichtet, führt bis in die Anfänge des eindrucksvollen Schauspielerlebens zurück. Man sieht ein pausbäckiges Mädchen mit langen Zöpfen, das schon in der Pubertät mit den etwas auseinanderstehenden, großen melancholischen Augen fasziniert. Sie war 14, als sie das erste Mal vor der Kamera stand: in dem Amateurfilm „Aus Kindertagen“, gedreht von drei Freunden aus Dresden, inmitten der Trümmer der Stadt. Dorthin war die gebürtige Hamburgerin 1955 gezogen. Mit ihrem Vater Otto, dem Bühnenbildner und einstigen Spanienkämpfer, sowie mit Mutter Gertrud, der Theaterfotografin. Jenny kannte das Theater von klein auf. Als sie das „Rotkäppchen“ besuchte, war sie so begeistert, dass sie es zu ihrem Geburtstag einlud. Und das Rotkäppchen kam tatsächlich. Allerdings als erwachsene Frau, ohne Kostüm. Das Geburtstagskind war enttäuscht, aber auch überrascht von der großen Kunst der Verwandlung. Die schließlich auch ihr eigenes Leben prägen sollte.
Mit Vierzehn stand sie auch schon auf der Bühne: als Titelgestalt in Bertolt Brechts „Die Gesichte der Simone Machard“ im Staatsschauspiel Dresden. Nach dem Studium an der Schauspielschule Berlin kam sie ans Maxim-Gorki-Theater, das 26 Jahre ihre Heimat war. Wie oft wird sie wohl dort ihren Schminkkoffer geöffnet haben, um zu Kamm und Puder zu greifen: Die kleine schwarze Box, die ebenfalls im Foyer zu sehen sein wird, mitsamt der drei bunten Holzentchen, die vielleicht ihr Talisman waren. Daneben findet eine Maske von Jenny Gröllmann Platz: einst Requisit in dem Film „Hälfte des Lebens“, in dem sie die Bankiersfrau Susette Gontard war. Ulrich Mühe hält die Maske in der Hand, als er den in Wahn verfallenen Hölderlin spielt: Während er über den Totenkopf der Geliebten streicht, läuft eine Blutspur über deren Gesicht. Diese Maske aus Pappmaché ist inzwischen porös, trägt aber noch immer einen leichten goldenen Schimmer.
Ihr Kinodebüt hatte Jenny Gröllmann 1967 in der Episode „Die Prüfung“ aus den „Geschichten jener Nacht“, die zur Ausstellungseröffnung zu sehen sein wird. Der Film von Ulrich Thein spielt kurz vor dem Mauerbau: Die Eltern gehen in den Westen und ihre Tochter soll nachkommen, sobald sie ihre Abiturprüfung besteht. Sie schafft zwar die Prüfung, bleibt aber im Osten. „Natürlich ist da auch Propaganda drin, aber das leise feine Zusammenspiel zwischen ihr und Dieter Mann ist sehr beeindruckend“, so Birgit Scholz.
Das Thema Staatssicherheit, das die mit 59 Jahren verstorbene Künstlerin bis zu ihrem Tod vor zwei Jahren begleitete, klammert diese Fotoschau aus: „Wir können jahrelange Auseinandersetzungen nicht in einer Ausstellung präsentieren. Es steht uns auch nicht zu, ein Urteil abzugeben“, betont die Archivarin. Dieses Thema erzähle der Film „Ich will da sein“ mit: „Auf eine sehr subjektive Art. Er ist parteiisch und das ist auch in Ordnung so. Er ist eben der Film einer Freundin“, ergänzt Archivleiterin Dorett Molitor.
Zur Potsdam-Premiere dieses Dokumentarfilms wird die Regisseurin Petra Weisenburger anwesend sein. Und auch der Fotograf Michael Weidt, mit dem Jenny Gröllmann schon in Kindertagen spielte und der sie bis zu ihrem Tod begleitete. Zahlreiche der rund 100 gezeigten Fotos stammen von ihm, so auch die letzte Aufnahme, mit der die Ausstellung den Besucher verabschiedet: Jenny Gröllmann steht vor einem weißen Dampfer. Ihr hinter einer Sonnenbrille verborgener Blick schweift über das Wasser in die Ferne. Sie ist ganz in sich versunken.
Die vielen Gesichter zwischen Liebreiz und Zickigkeit, Melancholie und Fröhlichkeit, mädchenhafter Träumerei und selbstbewusstem Auftrumpfen lässt sie hinter sich: Ohne Schminke und Pose verabschiedet sie sich: auf einen Weg ohne den Beifall ihres großen Publikums.
10. Juli: 19 Uhr Aus „Geschichten jener Nacht“: Episode 2 „Die Prüfung“. 19.30 Uhr Vernissage. Es sprechen Michael Weidt, Fotograf, und Helmut Morsbach, DEFA-Stiftung; 20.30 Uhr Potsdam-Premiere „Ich will da sein“. Die Ausstellung läuft bis 7. September.
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