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Sie kann eh nicht ohne. Die Kunst hat Galeristin Traudl Bauscher noch nie losgelassen. Schon gar nicht, wenn sie so sirenenhaft betörend daherkommt wie die jungen Nackten mit Kopftuch. Die Skulpturen des Potsdamer Bildhauers Hans Scheib sind jetzt neben Arbeiten 21 anderer Künstler zu sehen.

© Johanna Bergmann

Ausstellung in der Galerie Bauscher: Bilder wie Sirenengesänge

Zwei Jahre sind vergangen seit der letzten Ausstellung in der Galerie von Traudl Bauscher. Jetzt zeigt sie - vielleicht, aber nur vielleicht zu letzten Mal - wieder Arbeiten von 22 Künstlern.

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Was für ein Willkommen. Neun junge Frauen stehen da, gehauen aus Holz, gut einen Meter hoch, jede zusätzlich auf einem schlanken Sockel. Die Oberfläche ist grob. Rau und doch liebevoll gestaltet, jede mit ganz eigenem Charakter. Sie sind wild und bunt angepinselt, und trotz der Farbe nackt, bis auf ihre Kopftücher. Die machen aus ihnen muslimische Mädchen, die hier in stillen Posen ausharren, aufgerichtet, frontal, die Blicke unter den bunten Tüchern starr. Eine sinnliche, selbstbewusste Haltung, ein Statement. Die Skulpturengruppe aus den Händen des Potsdamer Bildhauers Hans Scheib steht jetzt im Foyer der Galerie Bauscher – ein großartiges Empfangskomitee für die Besucher der neuen Ausstellung. Es ist nach zwei Jahren Pause vielleicht die letzte, sagt Galeristin Traudl Bauscher. Wer sie kennt, weiß: Diese Aussage muss nichts bedeuten. Auch weil die Galeristin in der Einladung schreibt: „Die Kunst lässt mich nicht los“

So ist es, sagt sie bei einem Besuch in Babelsberg. Und so war es schon immer. Traudl Bauscher studiert in München Malerei, wechselt dann ins Fach Werbegrafik. „Man muss ja auch ans Geldverdienen denken.“ Aber ihre Ansprüche an Ästhetik lassen sich mit denen ihrer Auftraggeber, denen es ausschließlich ums Verkaufen geht, kaum vereinbaren. Sie geht nach Berlin, beginnt eine Ausbildung zur Kunstpädagogin, studiert nebenher Bildhauerei, bekommt eine Tochter und muss die kleine Familie ernähren. Zum eigenen Malen fehlt ihr die Ruhe – aber als Galeristin kann sie ihr Gespür für Kunst, ihre Ansprüche und ihr Netzwerk unter einen Hut bringen – zunächst mit der „Galerie unterm Arm“ an wechselnden Orten in Berlin, dann in Potsdam. 1993 erwirbt sie das Haus, das man in Potsdam unter dem Namen Adenauer-Villa kennt. Ein knappes Jahr wohnte hier in den 1930er- Jahren der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer mit seiner Familie, nachdem die Nazis ihn als Kölner Oberbürgermeister abgewählt hatten und er für die Gestapo interessant geworden war. In das 1924 für einen jüdischen Kaufmann erbaute Anwesen zog nach 1945 die sowjetische Kommandantur. Traudl Bauscher sanierte also deren Bausünden weg, ließ dem Haus aber seinen Charme, seine Geschichte, originale Fliesen und Türklinken, historische Fenster. So ist allein ein Besuch der Villa ein Erlebnis, dazu kommt die Kunst, die sich überall findet, drinnen wie draußen im Garten, in dem sich hinter jedem Gehölz eine Skulptur versteckt.

Ein schiefes Bild tut weh

Nun holt Bauscher also wieder einmal ihre Künstler ins Haus, zeigt Bewährtes und viel Neues der 22 Maler und Bildhauer. Bis zuletzt schreitet sie selbst durch die Räume, schaut, ob alles am richtigen Platz steht und ob es gerade hängt. Ein schiefes Bild, sagt sie, das tut weh.

Neben der Mädchengruppe hängt ein großformatiger Reinhard Stangl: Berliner Stadtleben, Bars und Straßenszenen sind seine Motive. Neu sind Stangls Landschaftsansichten, sei es Paradiesisches aus Brasilien oder ein Morgenausritt über Brandenburger Felder, Tuschzeichnungen und Farblithografien, die intensiv und leicht zugleich sind. Von Hans Otto Schmidt zeigt Bauscher Landschaftsminiaturen, Stadt, Land, Fluss aus Mecklenburg, Szenen, die Ruhe ausstrahlen. Humoristisch sind Beate M. Kicherers heiter-erotische Zeichnungen, bunte Skizzen aus Caféhäusern und Hinterzimmern, für die ihr meistens Frauen vom Berliner Straßenstrich Modell standen. „Die können es nämlich richtig gut“, sagt Bauscher. Die Galeristin verwaltet seit dem überraschenden Tod der Künstlerin 2004 deren Nachlass. Auch aus Berlin kommt Rüdiger Moegelin. Knallig expressiv sind seine großen Frauenporträts und Stillleben mit satten, saftigen exotischen Grundfarben. An Paul Klee erinnert der Stil von Jürgen Gustav Hasse: Bilder mit feingliedrig-abstraktem Farb- und Formengewirr, Landschaften, Dorfansichten, abstrakte Gebilde. 2013 verstarb der Brandenburger Maler, ein Teil des Nachlasses ist bei Traudl Bauscher zu sehen.

Experimentelles zwischen Antike und Moderne

Wie Sternschnuppen prangen zwischen den Bildern die bronzefarbenen Plastiken von Carola Wedell: Hand- und Augenschmeichler, gerundete Formen, kugelig, bauchig verschlungene Wogen, gezähmte Energiebündel. Die Künstlerin selbst nennt sie „Bronze-Kraftformen“. Dazwischen die Landschaftsminiaturen oder auch großformatig Zerfließendes von Eva Paul. Impressionistisch verschwimmen weite Horizonte, Land- und Meerbilder wie Auszeiten fern von Zeit und Raum.

Im Untergeschoss finden pralle Obst-Stillleben und Landschaftsmalerei von Ute Hausfeld Platz, daneben Abstraktes des Potsdamer Malers Wolfgang Koffler. Walter Karberg schafft es, in seinen Bildern Überschwang und Reduktion zu verbinden. Jeweils ein Strich seiner überdimensionalen Pinsel, so breit wie Besen, genügt – der aber ist ein expressives Knäuel, eine schwungvolle, hypnotisierende Woge, verführerisch wie Sirenengesänge. Die großformatige Mischtechnik-Malerei von Christine Jakob-Marx hingegen zieht einen in die Weite des Alls: „Universum“ ist die Serie betitelt.

Hier und da finden sich Elke Kirstädters Marmorplastiken: experimentelle Formen zwischen Antike und Moderne. Acht Jahre lebte Kirstädter in Athen. Der griechische Marmor ist geblieben. Neben abstrakter Plastik, wundervollen Tier-Bronzen, Malerei und Zeichnungen zeigt Bauscher auch Collagen wie Katrin Sliwinskis Arbeiten, in denen diese ihre Träume festhält, bunte faszinierende Wimmelwelten.

Galerie Bauscher, Rosa-Luxemburg-Straße 40, geöffnet am morgigen Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung, Tel. (0331) 71 03 19 und (0173) 61 91 778

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