Kultur: Bitte klingeln!
Das „Atelier der Moderne“ von Max Kattner zeigt Kunst und Design des 20. Jahrhunderts
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Das „Atelier der Moderne“ von Max Kattner zeigt Kunst und Design des 20. Jahrhunderts Die Überraschung ist perfekt. Steht der Besucher vor der turmbekränzten hochherrschaftlichen Villa Quandt in Babelsberg, vermutet er im dort residierenden „Atelier der Moderne“ kühle prunkvolle Räume. Stattdessen wird der Gast beim Betreten des Seiteneingangs von einer eher anheimelnden Gemütlichkeit umfangen. Der Galerist Max Kattner hat mit seinen Möbeln, Bildern, Fotografien, Lampen und Geschirr vom Anfang des Jahrhunderts bis in die 80er Jahre eine vertraute Wohnzimmer-Atmosphäre gezaubert, in der es sich gut auf künstlerische Entdeckung gehen lässt. Der Grafik- und Ausstellungsdesigner öffnete beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit im November 2004 seine kleine, aber feine Ausstellung, die sich vor allem auf das Bauhaus konzentriert. Ganz in der Nähe hat sich der zuvor in Berlin lebende Kunstenthusiast 2001 auch privat niedergelassen. Als die gute Stube vor lauter Möbeln fast aus allen Nähten platzte, bat ihn seine Lebensgefährtin um „Auslagerung“. Durch seine Schwiegermutter, die bereits eine kleine Wohnung in der Quandt-Villa bezogen hatte, entdeckte er die seit sieben Jahren leer stehenden Räumlichkeiten im Parterre und war sofort begeistert. An das beschauliche Entree schließt sich ein langer, schlauchförmiger Raum an, dessen großzügige Fensterfront einen phantastischen Blick auf den Griebnitzsee freigibt. Durch Wandvorsprünge ergeben sich kleine Nischen, die Kattner mit viel Sinn für das rechte Maß zu nutzen wusste. Gestalterisches Gespür muss der Grafikdesigner schon von Berufs wegen an den Tag legen. Er kreiert in seinem Schöneberger Studio Kataloge und organisiert Ausstellungen u. a. für das Deutsche Technikmuseum, Bröhan-Museum oder für den Gropiusbau. Die Schau „Stationen der Moderne“ trug seine Handschrift. Nebenher jagt er mit stiller Besessenheit über Flohmärkte, geht zu Haushaltsauflösungen und stöbert in Antiquariaten herum: den Focus immer auf die geliebten Möbel mit reduzierten modernen Formen gerichtet. Was er dabei zusammentrug und aufarbeiten ließ, ist für Liebhaber ein Augenschmaus. Da gibt es die Wanduhr von Bruno Paul, einen runden Tisch von Mies van der Rohe, umgeben von Thonet-Freischwingern von Mart Samt aus dem Jahre 1931. Hingucker sind auch die große Bodenvase von Gerhard Marcks, der Stahlrohr-Schreibtisch von Marcel Breuer oder eine Kinderstuhl-Parade. Und zwischen den hölzernen Zeitzeugen aus Bauhaus und nacheifernden Stilen sind immer wieder die Gemälde ein Blickfang. In frischen unvergänglichen Farben präsentiert sich die Wäscheleinen-Idylle im Weberviertel, das der Potsdamer Maler Hans Klohss 1904 in einem Aquarell festhielt. Auch das volle, saftige Grün der Waldlandschaft Ray du Molins bezaubert im flirrenden Licht. Einen besonderen Raum nimmt die künstlerische Fotografie mit Arbeiten von Christian Vogt, Floris Neusüß oder Eva Rubinstein ein. Natürlich ist alles käuflich zu erwerben, auch wenn das Herzblut des Besitzers mit von dannen zieht. „Aber ich muss auch verkaufen, um neue Sachen zu erwerben.“ Außerdem müsse sich die Galerie künftig zwangsweise mehr vom Spiel- zum Standbein entwickeln. „Ich glaube, der Grafikdesigner ist ein aussterbender Beruf, in dem sich nur noch wenige an der Spitze halten können. Heute macht doch jeder am Computer seine Sachen selbst.“ Bislang hat Kattner immer samstags sein „Lädchen“ geöffnet. Und da halten sich die Besucherströme noch sehr in Grenzen. „Es muss nämlich am großen schmiedeeisernen Tor geklingelt werden, was die Schwellenangst noch befördert.“ Doch da muss sich der kunstbeflissene Untermieter eben an die Zaunordnung des Hausherrn halten. Wer sich dennoch traut zu klingeln, kann sich indes auf eine spannende Zeitreise in die Moderne freuen und auf einen anregenden Begleiter. Heidi Jäger Atelier der Moderne, Virchowstr. 3, samstags 12 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung. Tel. 0171-5427526. www. kattners-atelier.de
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