Kultur: Blatt für Blatt
Sparkasse – Buchpatin für wertvolle Folianten
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Bücher sind wie Menschen. Sie bedürfen großer Sorgfalt und Pflege, sonst werden sie krank. Was dem einen nun der Arzt, ist den alten gebrechlichen Büchern der Restaurator, deren es in Potsdam kaum welche gibt, dafür um so mehr „Patienten“.
Gestern wurden einige von ihnen auf einer Pressekonferenz in der Stadt- und Landesbibliothek vorgestellt: darunter vier Bände aus der Wittenberger Ausgabe von Luthers Werken, Psalmen und Lieder gleicher Autorenschaft, Cellarius Beschreibung des antiken Afrika und Asiens, Schramms Abhandlung über Tragen und Sänften, Buchholzens Geschichte zur Frühzeit der Mark Brandenburg.
Sie alle haben das Glück, mit Unterstützung des langjährigen Hauptsponsors, Mittelbrandenburgische Sparkasse und Ostdeutsche Sparkassenstiftung, noch in diesem Jahr wieder zu Glanz und Ehren zu kommen, Blatt für Blatt.
Buchpatenschaften dieser Art gibt es seit zwölf Jahren, lange dabei auch die Berliner Restauratorin Ria Tiemeyer, die sehr interessant aus ihrer Werkstatt zu plaudern verstand. Auf der einen Seite im Kabinett der Brandenburgica von ihr bereits „wiederbelebte“ Exemplare wie „der Krünitz“, auf der anderen einige der neun Patienten, laut Vertrag bis zum Jahresende zu heilen. Viele stammen aus dem 16. Jahrhundert. Ziel dieses Engagements ist ihre Wiederbenutzbarkeit, wenn auch nur „unter Bewachung“ durch einen Bibliothekar.
Neuntausend Euro spendieren die beiden Geldinstitute für das laufende Jahr, nicht für jedes Buch tausend, sondern in toto. Andreas Fellmann, Vorstand der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, (MBS) sprach von einem „Auftrag“ der Sparkassen für die Region, und davon, dem Bürger „wieder etwas zurückzugeben“. Vier Millionen Euro habe die MBS 2007 „für vergleichbare Projekte“ gesponsort.
Besonders lägen ihm „elitäre“ Sachen am Herzen, denn „ohne Eliten geht heute gar nichts mehr“. Für die großzügige Unterstützung der Bibliothek 2007 erhielt er aus der Hand des stellvertre-tenden Bibliotheksleiters, Frank-Dirk Hoppe, „die aktuelle Urkunde“. Er bedankte sich mit den verheißungsvollen Worten „An unseren Wänden ist noch viel Platz...“ – und dachte gleich mal ein paar Jahrzehntchen weiter ...
Nach den Gründen für den desolaten Zustand solch elitären „Kulturgutes“ befragt, nannte Frank-Dirk Hoppe zuerst Nachkriegsschäden durch unsachgemäße Behandlung in alliierter Hand, worauf dreißig bis vierzig Ruhejahre an irgend welchen Orten folgten. Alle Auserwählten (bisher erhielten 175 Bücher der Bibliothek durch private und andere Paten ihr altes Gesicht zurück) haben direkt oder indirekt mit dem Land Brandenburg zu tun, auch Dapperts Ausführungen über Afrika der späten Neuzeit. Zudem, so Ria Tiemeyer, werde jeder Arbeitsschritt akribisch dokumentiert – damit auch die späteren Generationen wissen, welches Leder, welchen Leim man benutzt hat. Sie schätzt die Haltbarkeit der von ihr präparierten Bücher auf zweihundert Jahre. Ist alles paletti, werden sie in den Online-Katalog gestellt.
Solche Mühe allein durch Wanderausstellungen zu lohnen, ist zu wenig. Man könnte darüber nachdenken, diese alten Herrschaften samt ihrer Autoren dem Publikum in Sonderveranstaltungen nahezubringen. Es sollen sogar Unikate darunter sein.
Zweihunderttausend andere, längst nicht so wertvoll, stehen übrigens nicht in den Regalen, sie gehören zum Magazinbestand des Hauses. Welch ein Fundus, was für ein Schatz!
Gerold Paul
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