Kultur: Blicke ins Künstleratelier
Tag des offenen Ateliers auch bei Potsdamer Künstlern und Galerien
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Tag des offenen Ateliers auch bei Potsdamer Künstlern und Galerien Von Götz J. Pfeiffer Gleichen Künstlerateliers nicht Studierstuben, in denen der Meister selbst Gehilfen nur mit Unbehagen duldet? Diese Vorbehalte gibt es in Brandenburg nicht. Zum wiederholten Mal öffneten sich am Sonntag auch in Potsdam zum Tag des offenen Ateliers die Türen zu künstlerischen Werkstätten. Ein Heft, herausgegeben vom Arbeitskreis der Kulturämter im Land Brandenburg, informierte. Im wechselnden Teilnehmerkreis Potsdams waren diesmal sechs Galerien und 16 Künstler vertreten: ein bunter Reigen von Hut-Variationen bis zu Fotografie, Plastik, Malerei und auch mancherlei kulinarischer Spezialität. Ein Ausflug lohnte. „Heute Künstlerfest“ lockte ein Schild vor der Baracke in der Babelsberger Domstraße. Neben dem Eingang des angejahrten Baus lehnt im zugewachsenen Garten ein Schild „Caligari-Halle“, drinnen herrscht adventliche Gemütlichkeit. Hier arbeiten neben der in Berlin wohnenden Rengha Rodewill drei weitere Künstler. In einem der vorderen Räume zeigte sie ihre Großformate. Die Buntheit der Farben sprengt die Sperrholzwände des kleinen Raums. Erst seit 1997 stellt die studierte Bühnentänzerin, Grafikerin und Malerin aus, seitdem arbeitet sie in Babelsberg und öffnet stets ihr Atelier. Nach wohl kalkulierter Auswahl entstehen ihre Bilder, die zuweilen an Jackson Pollock erinnern. Ihre Malaktionen beschreibt die dynamische Mittfünfzigerin als „Tanz um die Leinwand“ und kreierte dafür selbst bewusst den Begriff „Dance Painting“, unter dem ihre Arbeiten in die Geschichte der Kunst eingehen sollen. Ein zugehöriges Manifest erklärt ihre „neue Romantik“, die eine „bewusste Integration von Emotion und Rationalität, von Impuls und dessen Steuerung“ bedeute. Im Mai nächsten Jahres sollen ihre Arbeiten in der Babelsberger Truman-Villa die erste Ausstellung der Friedrich-Naumann-Stiftung sein. „Das wird eine ganz große Eröffnung“, freut sich Rodewill. Ruhiger ist es in der Atelierwohnung von Tina Sackermann in der Karl-Marx-Straße. „Fine Arts“ heißt ihre Selbstvermarktungsstragie, mit der sie seit 1998 in Babelsberg residiert. Und während im Nebenraum ihr Lebensgefährte zu ihren Arbeiten komponierte Melodien auf dem Piano spielt, skizziert die Malerin ihre Künstlerkarriere vom Studium an der Berliner Hochschule der Künste bis zu ihren Reisen durch die Wüste Nordafrikas und Arizonas. Von diesen Naturlandschaften empfange sie ihre Inspiration. Arbeiten könne sie am besten in ruhiger Wohnatmosphäre, nicht im urbanen Künstlerloft einer Fabriketage, auch deswegen der Wegzug aus dergeschäftigen Bundeshauptstadt. „Mit meinen Bildern will ich etwas Positives in die Welt bringen“, lautet ihr malerisches Credo, schließlich gebe es „so viel Dunkles“. Wie Objekte für Meditationen wirken ihre kleinformatigen Arbeiten, versehen mit spirituellen Titeln wie „The secret“, „Near Allah“ und „Healing Water“. Daneben größere Arbeiten mit den Gegenständliches evozierenden Namen – „Portal“, „Dattelernte“ –, die wiederum als abstrakter Ruhepol für den Betrachter erscheinen. 400 Personen zählt Sackermann zu ihrem Käufer- und Sammlerstamm. Diesen Kreis lädt sie ein, wenn sie auch am Samstag vor dem Tag des offenen Ateliers ihre Wohnung in einen Ausstellungsraum verwandelt. Dass sie von ihren Bildern und der gleichzeitig betriebenen „atmosphärischen Raumkunst“, einer Innenarchitektur nach Feng Shui-Prinzipien, leben kann, zeugt von wirtschaftlichem Erfolg. Währenddessen wurde in Stephan Veltens Wohnung in der Friedrich-Ebert-Straße der Adventspunsch nach Rezept von E. T. A. Hoffmann warm gehalten. Aber nicht in den „Elixieren des Teufels“, sondern in der Autobiografie hatte Andy Kern das Gebräu gefunden. Maler Velten habe karamellisierten Zucker, Apfelsaft, Weißwein, Wermut und verschiedene Gewürzen schon richtig gemischt, nickt der ehemalige Kurator der Ticket-Galerie anerkennend und schaut über das reichhaltige Büffet in Veltens Atelier. Wie passend, dass darüber ein Bild der neuen Serie „Hungry“ hängt. Tagsüber habe man viele Besucher gehabt, zum Abend wird es ruhiger, die Atmosphäre familiärer. Er beteilige sich nicht immer, aber immer mal wieder am Tag des offenen Ateliers, meint Velten, und dann nutze er die Gelegenheit, um seine Freunde, Sammler und Bekannte einzuladen. In der ohnehin vollen Wohnung lehnen überall seine Bilder an Wänden und Möbeln, liegen museal geordnet die Feuersteinsammlungen in Vitrinen. Ungezwungen plaudert Velten darüber, dass ihm Privatsammler die liebsten seien, weil „mit Sorgfalt und kaufmännischer Anstrengung“ gekauft werde. Fast jeder, der auf Einladung gekommen sei, habe schon bei ihm gekauft, meint der Maler ohne Überheblichkeit und mit kleinem Stolz. Dann hört er vor den Bildern von seinen Betrachtern, dass diese Werkphase zu kurz gewesen sei, man jene Bilder der „Fleurs du mal“-Serie doch schon kenne, jene roten Mohnblüten aus naturalistischer Sicht aber neuartig seien wie das Bild. Ohne Attitüde behandelt der Maler seine Besucher wie seinesgleichen. Was man hier und andernorts nicht gesehen hat, kann beim nächsten Tag der offenen Ateliers am 2. Mai 2004 nachgeholt werden.
Götz J. Pfeiffer
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