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Kultur: „Böhmische Dörfer“ nur vereinzelt

Von Bremen machte sich die international bekannte Gambistin Hille Perl mit ihren Studenten nach Klein Glienicke auf. Im Kammermusiksaal Havelschlösschen war am Freitagabend ein „Spontan-Konzert“ angesagt.

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Von Bremen machte sich die international bekannte Gambistin Hille Perl mit ihren Studenten nach Klein Glienicke auf. Im Kammermusiksaal Havelschlösschen war am Freitagabend ein „Spontan-Konzert“ angesagt. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Natürlich hat Hille Perl vor allem bei Alte-Musik-Enthusiasten einen klangvollen Namen, schließlich trug sie dazu bei, die jahrhundertelang vergessene Viola da gamba wieder zu etablieren. Doch auch das frische Musizieren von jungen Leuten ist anziehend und kann begeistern. Das war auch in Klein Glienicke zu erleben.

Die europaweit renommierte Gambistin, die an der Hochschule für Künste Bremen lehrt, muss eine gute Lehrerin sein. An diesem Abend verriet sie ihr pädagogisches Geheimnis: Ehe man eine Gambenklasse in Schwung bringt, muss man streng-freundschaftliche Beziehungen aufbauen. Ihre Studenten Oksana Vasilkova, Hannah Kilian, David Budai und Johann Krampe hat sie immer wieder mit freundlichen Worten und anerkennendem Auf-die-Schulter-Klopfen bedacht. Sie vermochten nicht nur mit beachtlich solidem Handwerk auf dem Saiteninstrument zu überzeugen, sie boten auch ein ausgewogenes Klangbild. Konzentriert wurde die eher stille Musik vorgetragen. Ein größerer souveräner Umgang in Sachen Intonationsschwankungen wird sich jedoch noch einstellen.

„Böhmische Dörfer“ nannte Hille Perl das Programm. Die alte Redensart impliziert Unbekanntes, nicht Geläufiges. Die Viola da gamba musste den Zuhörern wohl nicht vorgestellt werden, gehört sie doch zu den bevorzugten Instrumenten der Konzerte im Havelschlösschen. Die Werke von David Funck, Theodor Schwartzkopf, Conradus Höffler oder Johann Heinrich Schmelzer genießen nicht die Popularität wie die der anderen Meister des 17. und 18. Jahrhunderts, beispielsweise die von Vivaldi oder Bach. Somit durfte so mancher Zuhörer sie als „böhmische Dörfer“ betrachten.

Die Lesart betonte einerseits die klanglichen Möglichkeiten eines Gamben-Consorts, andererseits forderte sie von den Spielern virtuoses Geschick, um aus dem eher getragenen Gambenklang tänzerischen Schwung zu zaubern. Auch die Kniffe der Verzierungskunst hatte man ordnungsgemäß im Visier. Die differenzierte Dynamik der meisten Interpretationen hob Zusammenhänge innerhalb der komplexen polyphonen Klanggewebe hervor. Sie steigerte die Lebendigkeit der Kompositionen. So das ausdrucksstarke Lamento, das der Wiener Hofkapellmeister Johann Heinrich Schmelzer zum Tode des habsburgischen Kaisers Ferdinand III. schrieb, bei dem Oksana Vasilkova von der Gambe zur Barockvioline wechselte, oder die fröhliche Suite für Diskant- und Bassgambe von Theodor Schwartzkopf, der am württembergischen Hof in Stuttgart wirkte. Hille Perl führte unterhaltsam durch das Programm, erzählte von den Komponisten und ihren Werken. Klaus Büstrin

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