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Kein Stein gleicht dem anderen. Um die Bollhagen-Mauern auf der Freundschaftsinsel zu sanieren, mussten die komplexen Muster abfotografiert und die einzelnen Teile nummeriert werden.

© Andreas Klaer

Serie: Was macht die Kunst in Potsdam?: Bollhagen-Mauern für die nächsten Jahrzehnte fit gemacht

Baudenkmalpfleger Roland Schulze hat die Bollhagen-Mauern auf der Freundschaftsinsel saniert. Warum die Arbeiten alles andere als einfach waren.

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Bitte um Gottes Willen jetzt nicht gegen diese Mauer lehnen. Ein beherzter Stoß und das mühsam errichtete Bauwerk aus 53 Teilen würde in sich zusammenfallen. Eine unangenehme Vorstellung für die beiden Maurer der Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze, die in dieser Woche mit der Restaurierung der vierten und somit letzten Bollhagen-Gartenmauer auf der Freundschaftsinsel beschäftigt sind. In einigen Tagen wird der Mörtel zwischen den Ziegelsteinelementen getrocknet sein. Dann werden auch die beiden Schutzplatten, die die freistehende Mauer zurzeit einhüllen, entfernt.

Zu den X. Weltfestspielen in der DDR errichtet

Gut 40 Jahre ist das Kunstwerk alt. Anfang der 1970er-Jahre begann die Umgestaltung der Freundschaftsinsel anlässlich der 1973 in der DDR stattfindenden X. Weltfestspiele. Die Crème de la Crème der Künstler der Republik waren an der künstlerischen Gestaltung der Gartenlandschaft beteiligt. Von der Keramikerin Hedwig Bollhagen (1907 - 2001) stammt eine ganze Reihe größerer Pflanzgefäße, aber auch vier Mauern. Wer nicht gerade auf der Suche danach ist, könnte an ihnen vorbeilaufen – oder sie übersehen. Am Ufer zur Alten Fahrt, zwanzig Meter vor dem Pavillon, sind sie zu finden. Um eine Mauer handelt es sich streng genommen gar nicht. Es ist eher ein Sichtschutz, ein Raumteiler, der der Gartenlandschaft hier – zurückhaltend freilich – Struktur verleiht. Je zwei der vier Mauern stehen nebeneinander, diese Paare sich in einer Entfernung von etwa 20 Metern gegenüber. Die rechteckigen Stahlrahmen, etwa zwei Meter mal eineinhalb Meter, schweben 20 Zentimeter über dem Boden, getragen von zwei Pfeilern. Mit einer Art Mosaik aus rotbraunen Ziegelelementen ist die innere Fläche ausgefüllt. Die Steine haben die Form von Kreuzen. Wo die einzelnen Arme aufeinandertreffen, werden sie mit Mörtel verbunden.

Die Krux an den Kreuzziegeln: Kein Stein gleicht dem anderen. Bollhagen entwarf individuelle Einzelstücke, die nur an dem ihnen zugewiesenen Platz genau passen. Zur Sanierung musste aber alles auseinandergenommen werden. „Wir haben zuerst alles fotografiert, dann zerlegt. Jeder Stein wurde rechts oben nummeriert. Wenn erst mal alles durcheinander auf einem Haufen liegt, sind Sie verloren“, sagt Maurer Michael Groth. In der Werkstatt wurden die Steine gereinigt, Risse repariert, Fehlstellen mit Ziegelersatzmasse aufgefüllt, zerbrochene Steine geklebt. Dann wurde das Steinpuzzle bereits in der Werkstatt zusammengelegt und in einer flachen Kiste auf die Insel transportiert, damit die Arbeit vor Ort kein ewiges Ratespiel wird. Dass das System funktioniert, sieht man an den bereits fertigen Mauern. Seit 2011 war jedes Jahr eine dran.

Alle Elemente konnten erhalten werden - trotz Rost

Die Restaurierung war nötig geworden, weil dort, wo Stahlrahmen und Ziegel zusammentreffen, der Rost die Steine anzufressen begann. An vielen Stellen drang durch die Abdichtung Feuchtigkeit ein. Versteckt in den Fugen fanden sich außerdem metallene Verbinder, eine Nut so groß wie ein Einkaufschip. Auch diese rosteten und mussten durch rostfreies Material ersetzt werden. Ebenso wurden die Stahlträger, auf denen alles ruht, ersetzt und in einem neuen Fundament verankert. „Alle Steine konnten wir jedoch als Originale erhalten, darauf sind wir stolz“, sagt Michael Groth.

Auch bei der letzten Wand soll alles reibungslos klappen. Maurerschnüre, vertikal und horizontal gespannt, geben Orientierungshilfe. „Normalerweise mauert man von einer Ecke aus“, sagt Groth. Aber Bollhagens Kunstwerk ist alles andere als genormt. Und es darf keinesfalls passieren, dass man unten beginnt und in der Mitte feststellt, dass man oben schief ankommen würde. Die oberste Ziegelschicht hängt, nur von grauem Gaffa-Tape gehalten, bereits vom oberen Rahmen herab. Sonst bekomme man sie zum Schluss nicht mehr in die Lücke, erklären die Männer.

Gewappnet für die Zukunft

Plötzlich kommt die Sonne raus, liefert an diesem windigen Märzmorgen einen Vorgeschmack auf den Sommer. Dann wandert das charakteristisches Schattenspiel, das die Strahlen der Gitterstruktur abtrotzen, über den Boden. Hedwig Bollhagens Ziegelkunst sollte nun wieder ein paar Jahrzehnte aushalten, sagt Groth.

Etwa 180 Bau- und Kunstdenkmale gibt es in Potsdam im öffentlichen Raum. Im Auftrag der Stadt kümmert sich die Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze kontinuierlich um Wartung und Restaurierung der Werke – das älteste ist die Stadtmauer in der Fischerstraße, das derzeit jüngste der Musikpavillon am Luftschiffhafen. Die PNN sind ab sofort regelmäßig mit dabei.

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