Kultur: Bonbons aus dem Osten
Kulturkiosk: Wie zwölf Osteuropäerinnen in Potsdam ihre Heimatländer vorstellten
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Kulturkiosk: Wie zwölf Osteuropäerinnen in Potsdam ihre Heimatländer vorstellten Er hat sich eher den melancholischeren Seiten seines Heimatlandes zugewendet. Als der litauische Fotograf Arturas Olsauskas durch sein Land zog, richtete er die Kamera auf ein Kind, das einsam an einem Straßenschild lehnt. Er zeigt Menschen auf der Straße, in Bewegung, im Bus, in der Bahn. Man sieht bröckelnde Fassaden, Schlaglöcher in Straßen, Jugendliche mit Bierflaschen. Ein Schwarzer geht an einer mit Graffiti beschmierten Barackenwand vorbei, ein Einkaufswagen ist an eine Laterne gekettet. Das Bild könnte auch in Harlem aufgenommen sein. Olsauskas’ dokumentarische Schwarzweißbilder – eine Eintagsfliege im Potsdamer Kulturleben. Gestern waren sie, an einer Wäscheleine aufgehängt, an dem osteuropäischen „Kulturkiosk“ vor dem Brandenburger Tor ausgestellt. Heute sind sie schon wieder verschwunden. Genauso wie der Kulturkiosk selbst, das orangene Zelt mit dem Sektausschank, wo Vorübergehende die Gelegenheit hatten, sich über die Kulturen Osteuropas und Russlands zu informieren: bei zwölf Organisatorinnen des Kultur-Lädchens, deutschsprachigen Stipendiatinnen der Robert Bosch Stiftung, die aus ebendieser Region kommen und für ein Jahr in Deutschland Kulturarbeit leisten (PNN berichteten). Kunst, Kultur, Kuchen und Bonbons haben die zwölf Kulturmanagerinnen aus dem Osten mitgebracht, die sie nun in Deutschland präsentieren. Zunächst in drei Städten, vor Potsdam in Heidelberg und Regensburg. Demnächst wird der Kiosk vielleicht noch in Halle aufgebaut. An den Kiosk-Wänden laden kurze Texte zu „Mini-Reisen“ in die östliche Ferne ein. Man erfährt, dass in Litauen auf der Autobahn höchstens 110 Kilometer in der Stunde erlaubt sind und es in Nidden auf der Kurischen Nehrung ein Thomas-Mann-Festival gibt. In der rumänischen Hauptstadt Bukarest kann man das Filmfestival Dakino besuchen. In Russland das Gruschev-Festival für Liedermacher am Saratover Wolga-Ufer. Dort sollen Piroggen besonders gut schmecken. Die Slowakei wird als Land beschrieben, in dem man auf die Frage stößt, wo denn nun wirklich die Kulturgrenze zwischen dem europäischen Westen und Osten liegt: vor der Rolandsäule am Hauptplatz von Bratislava oder vor dem gotischen Dom der heiligen Elisabeth im 300 Kilometer östlich gelegenen Kaschau? Bücherstände präsentieren Werke osteuropäischer Autoren und internationale Kulturzeitschriften. Noch mehr Kunst und Kultur gab es dann am Abend. Wenn die Kulturfrauen Deutschland wieder verlassen, hoffen sie viele Kontakte zur deutschen Kulturwelt mit nach Hause zu nehmen. Um später interkulturellen Austausch anzuregen, das ist ein langfristiges Ziel des Projektes. Die Polin Agnieszka Surwitto ist als Kulturmanagerin unterwegs, weil sie das Image ihres Heimatlandes aufpolieren will. „Polen ist kein kleines Land und liegt gleich neben Deutschland“, hat sie Kindern in Heidelberg erklärt. Surwitto will Wissen vermitteln und aufklären. Für ein Annähern, für eine gemeinsame europäische Zukunft. Die lässt sich aber nicht nur durch Kultur und Kunst entwickeln, meint der Programmleiter der Bosch-Stiftung Darius Polok, sondern auch durch Tourismus. Die Städte im Osten hätten ihren Reiz. „Warum nicht für 40 Euro mit dem Billigflieger nach Riga reisen“, fragt er. Das sei schließlich auch eine Art der Völkerverständigung. Marion Hartig
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