Kultur: Böse schwarz-weiß Farben und nur wenig Pastell
„Geliebter MARS“ rückt dem Thema Krebs unsanft zu Leibe
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„Geliebter MARS“ rückt dem Thema Krebs unsanft zu Leibe Um das Thema Krebs machen die meisten Menschen einen großen Bogen, zu sehr sind eigene Ängste und der Gedanke an den Tod damit verbunden. Die Inszenierung „Geliebter MARS“, die am Sonnabend in der fabrik zur Uraufführung gelangt, nimmt sich dieser Krankheit ohne Glacéhandschuhe an. Vielmehr entwickelte das Poetenpack in der Regie von Andreas Büettner frei nach der literarischen Vorlage „MARS“ von Fritz Zorn eine moderne Komödie. „Für uns ist das Thema keineswegs heilig, wir haben es vielmehr clownesk bearbeitet, wobei die Clowns im Sinne von Steven King sehr böse sind und für gewisse Schockeffekte sorgen. Ich würde bei dieser Arbeit von intellektueller Komik sprechen wollen“, so der vor allem in der freien Szene arbeitende Regisseur. Auf den Stoff gestoßen ist indes der Schauspieler Andreas Hueck. „Ich habe das Buch 1990 gelesen, und es hat mich völlig umgeworfen. Lange Zeit war es für mich Motor, um Theater zu machen, weil es in seiner gewissen Gnadenlosigkeit nach der ursprünglichen Lebendigkeit fragt.“ „MARS“ galt in den 70er, 80er Jahren im Westen als Bestseller, wohl ähnlich Maxie Wanders Tagebüchern im Osten. Der Autor Fritz Zorn beschreibt in einem Monolog den Verlauf seines Krebsgeschwürs von der Diagnose bis ins Todesjahr 1976 und schob damit die psychosomatische Diskussion kräftig mit an. Schon die ersten Sätze von „MARS“ deuten auf das Kämpferische, Aggressive seiner Auseinandersetzung: „Ich bin bürgerlich erzogen worden und mein ganzes Leben lang brav gewesen. Meine Familie ist ziemlich degeneriert, und ich bin vermutlich auch ziemlich erblich belastet und milieugeschädigt Nachdem sich mein Leben aber nie durch sehr viel Freude ausgezeichnet hat, komme ich nach prüfendem Vergleich zum Schluss, dass es mir, seit ich krank bin, viel besser geht, als früher, bevor ich krank wurde.“ Andreas Hueck machte sich nach der Lektüre von „MARS“ auf die Reise nach Zürich, um durch Bekannte mehr über den Autor zu erfahren. „In der Familie des Millionärssöhnchens sollte offensichtlich stets Harmonie herrschen, die aus der Saturiertheit entsprang. Erstaunlich ist auch, dass Zorn keine einzige Liebesbeziehung eingegangen ist, vielleicht weil Sexualität in seiner Erziehung immer tabuisiert wurde. Sehr analytisch und gnadenlos beschrieb er als Kranker Zusammenhänge, die wenig sinnlich sind. In seinem Rachefeldzug versteigt sich der Autor sogar in die Ansicht, man müsste das Haupt seiner Mutter abschlagen und sowohl den Vatikan als auch die Banken in die Luft sprengen.“ Hueck hat den Stoff mehrmals Regisseuren angeboten. Erst jetzt kommt es als Premiere des Poetenpacks heraus, was wiederum für diese freie Theatergruppe eine ganz neue Facette ist. Schließlich wird die sehr freie Fassung Wilfried Happels, „in der es viele Hakenschläge und Verdichtungen gibt“, wie Regisseur Andreas Büettner betonte, surrealistisch-albtraummäßig auf die Bühne gebracht. „Mich interessierte der aktuelle Bezug zur Krankheit Krebs, die für mich eine Variante oder die Folge von verdrängten Depressionen ist. Wir haben das Buch nicht auf eine goldene Stufe gestellt, sondern sind sehr kritisch und energisch gegen die Verdrängungsmethoden angegangen. Ich denke schon, dass Liebe der geeignetere Weg zur Gesundung ist als Hass. Aber Fritz Zorn hat nun mal den Weg Mars gewählt.“ Andreas Büettner suchte bei dieser Arbeit den offensiven Umgang mit einem oft tabuisierten Thema – ohne intellektuelle und gefühlsmäßige Schonung des Publikums. „Fragmentarisch kreisen die Szenen um ein schwarzes Loch, das Krebs oder Tod heißt. Wir haben böse schwarz-weiße Farben an die Wand geknallt, aber auch Pastelltöne einfließen lassen.“ Heidi Jäger Premiere: 18. Oktober, 20.30 Uhr, fabrik. Weitere Vorstellungen: 19., 24. bis 26. Oktober.
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