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Wenn Dichter Dichtern lauschen. Die Schriftsteller Stefan aus dem Siepen (li.) und Silvio Huonda nicht auf der Bühne, sondern im Publikum bei „Brandenburg liest“ in der Villa Quandt.

©  Manfred Thomas

Kultur: Brandenburg las

Fünf Autoren und Übersetzer zu Gast in der Villa Quandt

Stand:

Liebevoll spricht er von „seinem Dorf“, während Bernhard Robben von den Schwierigkeiten erzählt, die auftreten, wenn er in dem kleinen, kaum 380 Einwohner fassenden Brunne an einer Übersetzung arbeitet. Noch 20 Jahre vorher, ohne Internet und Google, fuhr der Wahlbrandenburger, der sieben Jahre Bürgermeister seines Ortes war, regelmäßig in die Staatsbibliothek nach Berlin, um ausgiebige Recherchearbeiten vorzunehmen, die seine Arbeit als Übersetzer unbedingt notwendig machen.

Die Werke von Autoren wie Ewan McEwan, Philip Roth oder der zu Beginn dieses Jahres erschienene Roman „K“ von Tom Mccarthy stellen ihn stets vor die Aufgabe, sich, so wie beispielsweise mit „K“, in komplexe Dinge einzuarbeiten. Romane, die nicht nur voll sind von unterschiedlichen Bedeutungsebenen, sondern auch mit beispielsweise vielschichtigen technischen Dingen wie dem Beginn der Telegrafie oder der englischen Flugzeugtechnik im Ersten Weltkrieg aufwarten und für den Leser und auch ihn selbst verständlich und nachvollziehbar gemacht werden wollen.

Bernhard Robben ist einer von fünf Gästen, die am Samstagabend in der Villa Quandt symbolisch für das stehen, was die Veranstalter – das Brandenburgische Literaturbüro und der Literaturladen Wist – unter dem Motto „Brandenburg liest“ zusammengefasst haben.

Neben Bernhard Robben sind außerdem zu Gast der aus der Schweiz nach Berlin gekommene und jetzt in Ferch ansässige Silvio Huonder, der aus seinem in Kürze erscheinenden neuen Roman „Die Dunkelheit in den Bergen“ liest, einer Kriminalgeschichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts, deren blutiger Fall für eine kurze, etwas beunruhigende Unterbrechung sorgt, da einer der Gäste die allzu detaillierten Beschreibungen der Szenerie am Tatort kurzerhand mit kleinen Ohnmachtsanfällen beantwortet.

Ebenfalls stellvertretend für das Literaturland Brandenburg steht der von Hendrik Röder, Geschäftsstellenleiter im Brandenburgischen Literaturbüro, begeistert als Ausnahme- und damit Vorzeigeautor gelobte Lutz Seiler, der, regelmäßiger Gast des Literaturbüros, für einen sehr heiteren Fortgang der Veranstaltung sorgt, da er seinen Aufenthalt als Stipendiat in der Villa Massimo 2011 in Rom kurzerhand zu einem Ausflug in die Welt des Fußballs nutzt. Der Sohn seiner Lebensgefährtin Charlotta sollte auch in Rom seiner Fußballleidenschaft nachgehen und wurde im völlig überteuerten „Futbolclub“ angemeldet, dessen Strukturen ganz unfreiwillig als Spiegel der römischen Gesellschaft fungieren könnten und von Seiler in launiger Ironie noch einmal rekapituliert werden.

Bernhard Robben, Silvio Huonder und Lutz Seiler werden zu späterer Stunde dann noch der eher unbekannte Diplomat und gerade als Entdeckung gefeierte Autor Stefan aus dem Siepen („Luftschiff“, „Die Entzifferung der Schmetterlinge“, „Das Seil“) und die ähnlich wie Lutz Seiler immer wieder gern geladene Antje Ravic Strubel an die Seite gestellt und bieten einen literarischen Querschnitt Brandenburgs, der sich der Diskussion stellt. Oder zumindest hätte stellen können. Denn leider fällt an diesem Abend auf, dass die Moderationen, die Hendrik Röder, Carsten Wist oder Susann Rabe, ebenfalls Mitarbeiterin des Brandenburgischen Literaturbüros, übernehmen, etwas dünn ausfallen.

Nicht nur, dass das Publikum lediglich Zuschauer bleibt und nur die kleinen Pausen zwischen den Lesungen zum Gespräch nutzen kann, auch die Fragen bleiben farblos und machen nicht klar, warum genau diese Autorenauswahl getroffen wurde, was die Autoren nach Brandenburg zog, mit Brandenburg verbindet, wie sie selbst das Land als Literaturland wahrnehmen, welche Möglichkeiten sie bekommen, welche Förderungen oder was der schriftstellerische Nachwuchs macht.

Auch das Motto „Brandenburg liest“ ist längst nicht ausgeschöpft an diesem Abend, lässt es doch durch seine Formulierung sehr viel Spielraum und gibt eigentlich die Möglichkeit, Kunstformen wie die Musik, das Schauspiel und das geschriebene Wort aus oder über Brandenburg miteinander zu verbinden. So bleibt die etwas männerdominierte Veranstaltung – Eva Menasse und Juli Zeh hatten leider ihre Teilnahme abgesagt – etwas einseitig, eher auf Altbewährtes vertrauend, fast ohne Wagnis und Farbe und wirft die Frage auf, warum die in der Vergangenheit zusammen mit dem Waschhaus und dem Hans-Otto-Theater veranstaltete Reihe „Brandenburgische Literaturnacht“, die immerhin achtmal stattfand, nicht mit frischem Wind und neuen Ideen versehen, sondern stattdessen abgespeckt und nur noch mit zwei von vier Veranstaltern weitergeführt wird.

Hendrik Röder erklärte auf Nachfrage, dass es dem Brandenburgischen Literaturbüro wichtig sei, das eigene Haus, also die Villa Quandt, stärker als Veranstaltungsort zu nutzen, das gerade im Sommer durch die Terrasse hin zum Pfingstberg besonders reizvoll sei. Hinzu komme, dass es hier keine Parallelität der Veranstaltungen wie bei der Literaturnacht gebe und so jeder Gast die Möglichkeit habe, alle Lesungen zu besuchen.

Andrea Schneider

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