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Freud und Leid. Der Schutzengel (Anna Menzel), r.) kann sich nicht über den Weihnachts-Hokuspokus seines Kollegen (Susanne Olbrich) freuen.

© Theaterfsuion

Kultur: Brennende Bäume, heißes Gänsefett

Weihnachtsengel kontra Schutzengel: eine ganz und gar nicht „Stille Nacht“ im T-Werk

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Es geht nicht allzu heilig zu in dieser Weihnachtsgeschichte. Ja, es kommt sogar zu einem handfesten Streit. Während der Weihnachtsengel ganz bezuckert ist von dem Glitzerkram, stehen dem Schutzengel die Flügel zu Berge. Er kann sich nicht an all den Heimlichkeiten erfreuen, denn überall sieht er Gefahren: halsbrecherische Väter, die auf dem Balkon rumturnen, um Lichterketten zu montieren, Mütter, die mit heißem Gänsefett hantieren, Kinder am offenen Licht der Weihnachtspyramide. Wie soll man da als Schutzengel ruhig bleiben?

Genau diese Gegenläufigkeit zwischen Vorfreude und Stress bestimmt das Geschehen in dem Schau- und Puppenspiel „Stille Nacht“, das Susanne Olbrich und Anna Menzel von der „Theaterfusion“ mit Gesang und Lichterzauber im T-Werk auf die Bühne bringen. Die beiden Widersacherinnen in Engelskostüm breiten ihre Mäntel aus und erzählen zudem die alte Geschichte von Maria und Josef und dem Kind. Aber auch von dem Wirt, der angesichts der ganzen Bethlehem-Meute in seinem Stall fast die Nerven verliert. Laufend klingelt es an seiner Tür, sodass er um seinen Schlaf gebracht wird. Ja, er gerät in der Zeit, die für Ruhe und Besinnlichkeit gedacht ist, in atemlose Hektik.

„Wir haben für unser Stück nach Figuren gesucht, die diesen Zwiespalt herausstreichen. Und da sind wir eben auf den Weihnachtsengel und den Schutzengel gestoßen. Der Weihnachtsengel schmückt eifrig die Bühne, die vorher ganz karg ist. Er macht daraus einen wahren Augenschmaus. Ich nehme es sehr ernst mit meiner Weihnachtsarbeitsstelle“, sagt Susanne Olbrich, die die Rolle des vergnügten Weihnachtsengels übernimmt. Sie kennt als Frau und Mutter sehr gut diesen Gegensatz, der Anlass für ihr Stück ist. „Einerseits ist Advent und Weihnachten eine wunderschöne Zeit mit Plätzchen backen, Basteln, Heimlichkeiten, Glitzer, Kerzenschein, Weihnachtsbaum und Kinderaugenleuchten. Alles ist so wunderwunderschön. Aber die Zeit ist auch immer atemlos, egal ob bei Ärzten, Heilpraktikern oder bei Büroangestellten kurz vor ihrem Jahresabschluss.“ Und eben auch bei Schauspielern. Das kennt Susanne Olbrich spätestens, seit sie zweifache Mutter ist. „Das war schon im Osten so und jetzt ist es noch stressiger, weil noch mehr Konsum angesagt ist, alles noch perfekter sein soll.“

Seitdem sie vor zehn Jahren freischaffend wurde und nicht mehr fest engagiert an Theaterhäusern Weihnachten und Silvester spielen muss, schließt Susanne Olbrich ab 23. Dezember normalerweise ihre Tourneebühne, ihre „TheaterFusion“. Doch nun ist sie an drei Tagen im T-Werk zu sehen. Schon am zweiten Feiertag sprang sie mit ihrer Inszenierung „Stille Nacht“ ein, da „Der kleine Häwelmann“ aufgrund einer Erkrankung ausfallen muss. „Ich helfe dem T-Werk gern, denn ich achte und schätze die Arbeit sehr“, sagt die Schauspielerin. Für das T-Werk macht sie also diesmal eine Ausnahme. Mit ihrer kleinen Tourneebühne ist Susanne Olbrich sonst das ganze Jahr unterwegs, vor allem in der Vorweihnachtszeit. „Wenn ich nicht aufpasse, schlafe ich nur in Hotels und sehe keinen Adventskranz auf dem Küchentisch.“

Obwohl sie als Heidin nicht mit der Weihnachtsgeschichte groß geworden ist und diese auch nie in der Kirche erlebte, mag Susanne Olbrich den Gedanken vom Neubeginn. „Die Geschichte zieht sich ja durch alle Religionen: dass da dieses unschuldige Kind geboren wird, dass man immer wieder eine Chance bekommt, etwas im Leben zu verändern. Diese Lichtgestalt als Symbol, mit dem sich mancher Zorn und manche Unbill auf der Welt wegdenken lassen. Es ist einfach schön zu leben. Und dass man dieses Leben preist, darum geht es mir.“

Doch bevor diese Einsicht auch in ihrem Stück wächst, haben Adventsengel und Schutzengel manchen Disput auszutragen. Es wird auch ein bisschen laut dabei. „Aber nicht so, dass einem als Zuschauer die Ohren wegfliegen“, verspricht die Schauspielerin.

Die großen und kleinen Besucher ab fünf Jahren schauen also auf die mit Engelsmänteln bedeckte Bühne und lauschen der schönen Geschichte um den immerwährenden Neuanfang. Es geht um das Tröstliche, das darin steckt. Und um die Hektik davor.

Der Schutzengel erzählt die Geschichte aus der Sicht des Wirtes der Herberge, der ab Mitternacht nicht mehr zur Ruhe kommt. Ständig klopft jemand anderes an seiner Tür und will eingelassen werden. Dabei ist seine Herberge völlig ausgebucht. Ja, er selbst muss schon unterm Dach im pieksigen Heu schlafen und das bei eisiger Kälte. Der Weinachtsengel freut sich indes über jeden neuen Gast: über Maria und Josef, den Erzengel Gabriel, den Abendstern, schließlich über die drei Hirten, die drei Könige, gefolgt von den Engelstrompeten und dem Halleluja. Die ganze Mannschaft aus Bethlehem besteht aus 13 Puppen, die von den beiden Engeln bewegt werden.

„Wir spielen da ein bisschen aneinander vorbei, was der Zuschauer natürlich sieht. Irgendwann kriegt der Wirt, der immer treppauf, treppab laufen muss, jedenfalls einen cholerischen Anfall und will die ganze Sippschaft aus dem Stall schmeißen. Doch dann kommt die große Katharsis. Er reißt die Stalltür auf, schaut zornig in die Krippe. Und als er das Kind darin erblickt, verändert sich sein Gesicht. Alle jubilieren.“ Nachdem die Engel bereits zweistimmig „Kommet Ihr Hirten“ oder das Lied „Still, still, still“ angestimmt haben, erklingt nun einvernehmlich das große „Halleluja“.

Für Susanne Olbrich steht fest: „Dass wir alle so viel Stress mit der Weihnachtszeit haben, ist hausgemacht, und das nehmen wir eben ein bisschen auf die Schippe.“ Die Kinder bekommen dennoch ihre Weihnachtsgeschichte mit allem Drum und Dran. Mit allen Engeln und Trompeten. Aber es gibt Scherze, die eben nur die Erwachsenen verstehen. Die Kinder besitzen den rosigen Blick, den verzuckerten des Weihnachtsengels. Die Erwachsenen bewältigen indes die ganze Arbeit, sorgen hektisch dafür, dass das Fest für die Kinder auch wirklich schön wird. „Ich bin schon Großmutter und trotzdem hat sich daran nichts geändert.“ Und gerade das ist wohl gut so.

„Stille Nacht“, heute und am morgigen Freitag, jeweils 16 Uhr, T-Werk, Schiffbauergasse, für Kinder ab fünf Jahren, Karten unter Tel: (0331)9719139

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