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Kultur: Brigitta und die Protestanten

„arche“-Vortrag über die „Prophetin des Nordens“

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„arche“-Vortrag über die „Prophetin des Nordens“ Viele christliche Märtyrer kann der skandinavische Norden nicht vorzeigen. Die Dänen haben ihren Knut, die Norweger Olaf, an der Seite von Erik aber steht eine heilige Frau, deren 700. Geburtstag das „erz“-protestantische Schweden im Juli mit einiger Inbrunst beging. Der Rostocker Historiker Dirk Drewelow berichtete in einer eher mäßig besetzten „arche“ per Dia-Vortrag über Birgitta von Schweden, deren Dasein so folgenschwer in die Gegenwart greift, dass sogar Emanzen sich ihrer bemächtigen. Sie wurde, hochadligen Geblütes, 1303 in Finste bei Uppsala als Tochter des Lagmannes Birger Persson geboren, einer Art Landvogt mit richterlicher Vollmacht. Ihre Mutter war königlicher Abkunft, sie starb, als das blonde, blauäugige Mädchen elf Jahre alt war. Mit Vierzehn wurde Birgitta standesgemäß verheiratet, ihr Mann Ulf, 18, trug den Beinamen „Simplex“. Viel Mühe soll sie verwandt haben, ihm Bildung, Lesen und Schreiben beizubringen. Die 28-jährige Ehe war mit acht Kindern gesegnet, sie selbst wurde mit 32 Jahren als Oberhofmeisterin zu König Mangnus II. bestellt, wo sie nicht nur Kindeserzieherin war, sondern den rauhbeinigen Monarchen mehr als einmal zu Demut und Frömmigkeit mahnte. Birgitta hatte als Kind eine Marienerscheinung, dann einen dreifachen Auftrag: Sie sollte einen Orden gründen, den 1342 in Avignon gewählten Papst Clemens VI. nach Rom zurückholen sowie Einfluss nehmen, dass der 100-jährige Krieg zwischen Frankreich und England beendet werde, denn Sittenverfall und Pest lagen bleischwer über dieser paneuropäischen Chaos-Zeit. Bis zum Tode ihres Mannes 1344 übten sich beide in Frömmigkeit, Demut und Nächstenliebe, Birgitta erzog die Kinder, Ulf (Wolf) wurde Lagmann von Närke. Noch mit ihm unternahm sie den Pilgerweg nach Santiago de Compostela (Anlass war die Silberhochzeit!) zu Fuß, retour besuchte sie das französische Doppelkloster Fontevrault, wo die Mönche im (geistlichen) Dienst der Nonnen standen – Vorbild für ihre eigene Klostergründung im schwedischen Vadstena, das sie lebend niemals sah. Die Regeln für den „Orden des hl. Erlösers“ (Brigittenorden) soll sie 1346 „in Exstase“ durch Jesus selbst bekommen haben. Ihre letzte Pilgerreise ins Heilige Land wurde durch eine Krankheit getrübt, an welcher sie 1373 starb. Die Gebeine der „Prophetin des Nordens“ wurden ein Jahr später nach Vadstena am Vätternsee überführt, wo sie heute eine wachsende Schar schwedischer und ausländischer Pilger verehrt. Dreimal wurde sie heiliggesprochen, zuerst 1391. Papst Johannes Paul II. erhob sie 1990 neben Katharina von Siena und Edith Stein zu den weiblichen Schutzpatronen Europas – die männlichen sind Benedikt, Kyrill und Methodes. All das ist merkwürdig, denn bis zum Jahr 2000 gehörten alle Einwohner „durch Geburt“ automatisch der protestantischen Staatskirche an, und noch 1950 waren katholische Gottesdienste dort streng verboten. Als ihr Papst Johannes Paul II. aber bei seinem Besuch 1989 ganz clever Reliquien von Birgitta überließ, erinnerte sich das Volk seiner Heiligen. Zum Jubiläum 2003 berichtet die Presse massiv über sie, landesweit gibt es Plakat-Aktionen, Pilgerreisen werden angeboten, die vatikanische Danaer-Gabe wird auf „gut katholisch“ verehrt. Schutzheilige Europas nach außen, Identifikationsfigur nach innen – mit diesem diplomatischen Doppelzug steckt der Papst die Schweden locker in die Tasche... Weniger erfuhr man über die Spiritualität dieser nordischen Prophetin in ihrem „zweiten Leben“, nach dem Tode Ulfs, als sie die Pest voraussagte und sich in Rom so energisch Gehör zu verschaffen wusste, wie daheim beim lotterhaften König der Schweden. Er freilich ignorierte ihre Mahnungen und teils „wüsten Drohungen“, Bürgerkrieg brach aus, so verheerend, wie die Reformation in Schweden bei den Katholischen wütete. Sie habe sich stets als „Sprachrohr Gottes“ verstanden, berichtete Dirk Drewelow, und lobte zugleich die Innigkeit dieser nordischen Landschaft, wo man seit der mythischen Wanenzeit das Licht besonders verehrt. An baulichen Zeugnissen ist sie arm, der Märtyrer gibt es nicht viele, es ist, als hielte man sich der Heiligkeit Birgitta“s fest, dem Papst zur Freude, der Staatskirche mehr zum Verdruss. Gerold Paul

Gerold Paul

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