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Kultur: Brücke zwischen Pop und Barock

Erstmals gab es ein Popkonzert im Park Sanssouci: Für „Die Prinzen“ kein Problem

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Bratwurst und Streichquartett, Welterbe und Schlagzeugsolo, Bierbecher und königliches Porzellan, heftiger Regenguss und anschließende Sonne. Ein Abend voller nicht zu vereinbarender Gegensätze hätte es werden können beim ersten Popkonzert im Schlosspark Sanssouci. Wären die Prinzen nicht gewesen, jene A-Capella-Popgruppe aus der Thomaner-Talentschmiede, die den einstigen DDR-Bürgern kurz nach der Wende das Gefühl gab: „Wir haben auch was zu bieten!“ und den Alt-Bundesländlern zu verstehen gaben, dass nicht jeder Sachse zwangsläufig ein obrigkeitshöriger Grenzpolizist mit schlechtem Dialekt sein muss. Und so waren sie – ob unfreiwillig oder geplant – schon immer Brückenbauer. Auch am vergangenen Samstag, als die altehrwürdige, welterbegeschützte (Bau)-Kunst des preußischen Barocks auf die Unterhaltungskunst der Gegenwart traf: Die Prinzen gastierten vor dem Neuen Palais.

Sie sind die Meister der Harmonie. Ohne despektierlich zu sein: Konsensmusiker. Der Publikumsdurchschnitt in Potsdam bewies es: Nicht viele Bands schaffen es, Familien vom Enkel bis zum Großvater zu begeistern. Endzwanziger erinnerten sich bei „Gabi und Klaus“ an die ersten schüchternen Liebeleien auf der Klassenfahrt, fünfjährige Mädchen schrieen voller Inbrunst „Küssen verboten“, während sich Mama und Papa beim „Mann im Mond“ zärtlich in den Arm nahmen und die Bierstand-Fans glücklich-trunken „So viel Spaß für wenig Geld“ mitschunkelten.

Um sich dem höfischen Ort anzupassen, arrangierte die Band ihr Repertoire neu. Zwar reichte es nicht zu einem 50-köpfigen Sinfonieorchester, aber die vier Streicherinnen von Baroccolo – Mitglieder der Dresdner Philharmoniker – waren weit mehr als nur musikalisches Beiwerk. Doch blieb so die musikalische Entwicklung der Prinzen etwas auf der Strecke. Die rockige Basis vieler neuerer Songs und Gassenhauer wie „Alles nur geklaut“ wich einer klassisch-vornehmen Ruhe. Der treibende Rhythmus bei „Du musst ein Schwein sein“ war hingegen sehr sommeraffin: Bongotrommeln und Klanghölzer ließen lockerflockige Lateinamerika-Rhythmen erahnen. Multikulti-Musik mit feudalem Einschlag von der „ersten gesamtdeutschen Band“. Nie aber war das generationsübergreifende Musikgut so verfremdet, dass es dem geschulten Prinzen-Ohr zu ungewohnt klingen könnte.

Doch wurde dem Ort zuliebe nicht jedes Zugeständnis gemacht. Popkonzertatmosphäre, damit der Prinzen-Fan sich wohlfühlt, musste auch sein. Selbst wenn der ein oder andere Feingeist ob des Stilbruchs vor dem Welterbe die Nase hätte rümpfen können: Mitklatsch-Musik vor dem Neuen Palais, Laola-ähnliches Armeschwenken im Schlosspark Sanssouci - all das will ein Prinzen-Fan und das bekommt er von seinen fünf Idolen. Dafür ist es ein Popkonzert und keine Klassik-Soiree. Schließlich singt man auch von Schweinen, Sex und gesellschaftlichen Abgründen – natürlich nicht in einem Zusammenhang. Eindeutige Zweideutigkeiten fanden sich nicht nur in den Texten sondern auch den launigen Zwischenmoderationen von den Rampensäuen Sebastian Krumbiegel und Tobias Künzel, während der Rest der Prinzen, Wolfgang Lenk, Jens Sembdner und Henri Schmidt im Hintergrund blieben. Bei der moderativen Kurzweil konnte der eingefleischte Welterbe-Liebhaber auch verschmerzen, dass Krumbiegel und Künzel anfangs vom Schloss Sanssouci redeten anstatt vom Neuen Palais.

Magisch wurde es, als Krumbiegel und Co. in Emotionen schwelgten. Die fünf ausgebildeten Stimmen und die Streichermusik ließen das Publikum in romantische Träumereien versinken, unterstützt durch ein meisterliches Lichtspiel, dass Ornamente an die Wände des Neuen Palais“ zauberte. Tausende Menschen umarmten sich – was nicht nur an der feuchten Kälte lag, die nach dem heftigen Regenguss kurz vor Beginn des Konzerts das Publikum frösteln ließ. Der heftige Schauer ließ die Veranstalter zeitweise sogar über einen Abbruch nachdenken. Doch die Prinzen sind geübt im „warme Gedanken machen“. Sentimentalität ist bei den Leipzigern kein Grund, sich zu schämen, sondern wird zelebriert, noch stärker in den neueren Liedern. Und in solchen Momenten waren dann sämtliche Gegensätze vergessen, der Pop eins mit dem Barock. Die Brückenbauer hatten ganze Arbeit geleistet.

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