Von Klaus Büstrin: Bücher über einen König
Gerhard Knoll hat 9000 Bücher der Schlösserstiftung – gestern wurde die Bibliothek vorgestellt
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Vor achteinhalb Jahren. In der Blechbüchse, in der das Hans Otto Theater sein Provisorium hatte, konnte man dem „Totengespräch zwischen Madame de Pompadour und der Jungfrau Maria“ beiwohnen. König Friedrich II. von Preußen war der Verfasser des religionskritischen Textes, in dem der Monarch ironisch die Frage stellte: Wie gelangte die Mätresse Ludwig XV. und Ehebrecherin ins Paradies? Erst 1998 war der „Dialogue“ entdeckt worden. Der promovierte Historiker Gerhard Knoll, der bis vor wenigen Jahren die Handschriftensammlung der Universitätsbibliothek Bremen leitete, entdeckte bei Recherchen das erfundene satirische Gespräch Friedrichs des Großen aus den Jahren 1772/73. Er übersetzte es buchstabengetreu aus dem Französischen, gab seinen Kommentar dazu und veröffentlichte es in der Schriftenreihe des Forschungsamtes Europäische Aufklärung.
Das „Totengespräch“ ist nur eine der zahlreichen Veröffentlichungen Gerhard Knolls zum Werk des Preußenkönigs. Der Historiker hat sich immer wieder in die Diskussionen um die Person, die Philosophie und Politik Friedrich des Großen eingemischt. Beispielsweise in dem im Akademie Verlag Berlin erschienenen Band „Geist und Macht“, der sich mit dem Monarchen im Kontext der europäischen Kulturgeschichte beschäftigt. Knoll schöpft sein Wissen aus einem genauen Lesen der Schriften des Königs und der Rezeptionsgeschichte. In seiner Friedrich-Bibliothek zu Hause in Bremen konnte er bisher spazieren gehen wie in einem Garten, der an Vielfältigkeit alles zu bieten hat. Der Historiker nannte eine umfassende Sammlung der Werke Friedrichs des Großen und der Literatur über ihn sein eigen. Mit ihren 9000 Bänden ist sie sogar zur größten und bedeutendsten Privatbibliothek von weltweitem Rang angewachsen. Jetzt hat sich Gerhard Knoll, bis auf eine kleine Handbibliothek, von ihr getrennt. Er hat sie in 167 Kisten auf die Reise von Bremen nach Potsdam geschickt. Es war sein Wunsch, dass sie in der Stadt Friedrich II. eine Herberge findet und so für die wissenschaftliche Tätigkeit nutzbar gemacht wird.
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg war der Adressat der Bücherkisten. Sie konnten mit Hilfe unter anderen der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V., der Kulturstiftung der Länder und des Kulturministeriums erworben werden. Die Villa Liegnitz ist der Ort, in der die „Bibliothek Dr. Gerhard Knoll“ Aufnahme gefunden hat. Sie wird aber noch einmal umziehen müssen, dann aber in einen modernen Bau. Auf dem ehemaligen Gelände des Hans Otto Theaters in der Zimmerstraße soll das Dokumentations- und Informationszentrum der Stiftung entstehen. Dort wird dann auch die Bibliothek ihren endgültigen Platz finden.
In der Villa Liegnitz präsentierte am gestrigen Mittwoch Stiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh den Medien die Knoll-Sammlung. „Die nun erworbene Kollektion enthält mehr Ausgaben friderizianischer Werke als die 1877 angelegte berühmte ,Friderizianische Sammlung‘ der Königlichen Hausbibliothek zu Berlin, die im Zweiten Weltkrieg verloren ging“, sagte Dorgerloh. Er machte darauf aufmerksam, dass die erworbene Knoll-Bibliothek umfangreicher und vollständiger als vergleichbare Sammlungen der Deutschen Bibliotheken und der Pariser Nationalbibliothek ist. In den Schlossbibliotheken Friedrichs in Potsdam und in Berlin sowie in der historisch-kunsthistorischen Arbeitsbibliothek der Villa Liegnitz findet man 5500 Bände von und über den König. Der aktuelle Erwerb sei auch ein Meilenstein innerhalb des Projektes „Friederich 300“, das 2012 ansteht, so Dorgerloh.
Mehr als 50 Jahre umfasst Gerhard Knolls Sammlungstätigkeit zu Friedrich II. Als fast Fünfjähriger habe er ihn für sich auf den damals populären Zigarettenbildern entdeckt. Auf einer Bildreihe wurde über den Besuch des jungen Fritz mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I. in Tangermünde erzählt. Dargestellt wurde beispielsweise, wie der Kronprinz an arme Kinder Brot verteilt. „Diese soziale Sendung des Hohenzollern-Spross hat mich als Kind im Juni 1945, wo der Hunger allenthalben groß war, sehr beeindruckt. Später ist die faszinierende Sicht einer kritischen gewichen“, sagte Gerhard Knoll, der in Berlin-Lichterfelde geboren wurde, in Teltow aufwuchs und an der Freien Universität Berlin studierte.
Der Historiker sammelte eigentlich alles, was von und über Friedrich II. zwischen zwei Buchdeckeln auf dem Buchmarkt erschien. Er durchforste Antiquariate und Buchhandlungen ganz intensiv. Selbst an den Zeitungskiosken kam er nicht vorbei, wo so manche Trivialliteratur auch über „Liebschaften“ des Kronprinzen auslag. Auch sie nahm er in seine Sammlung auf. Der größte Teil ähnlicher Texte ist zwischen 1840 und 1920, auch in den ersten Jahren Nationalsozialismus, erschienen. Es war die Zeit, als Friedrich für nationalistische Zwecke benutzt wurde. „Nach 1990 kamen im Berlin-Potsdamer Raum erneut wieder viele Bücher in die Buchhandlungen, oftmals unprofessionell und unkritisch aus historischer Sicht geschrieben. Ich denke da nur an die Texte über die Langen Kerls oder an die Militärbauten in Potsdam. Solch bedeutungslose Bücher gab es jedoch zu allen Zeiten. Doch auch sie gehörten wegen der Rezeptionsgeschichte in meine Sammlung“, so Gerhard Knoll.
Natürlich sind die geschriebenen und gedruckten Werke des Kronprinzen und des Königs, oftmals als Erstausgaben, der ganze Stolz des Sammlers. Da findet man unter anderen Ausgaben vom „Antimachiavell“, erstmals 1740 erschienen, die „Denkwürdigkeiten Friedrich des Großen“ aus dem Jahre 1758 oder Herrn Peter Bayles Historisches und Critisches Wörterbuch (1741), aus dem der König eine Kurzfassung schrieb und sie als Buch herausgab. Auch eine Abhandlung über die „Krankheiten einer Armee“ oder über den Abenteurer Trenck, sogar so manches Flugblatt sind in der Sammlung zu finden. Und natürlich: „Dialogue des morts entre Madame de Pompadour et la Vierge Marie“, übersetzt von Gerhard Knoll.
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