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Kultur: Budenzauber
Michael Endes „satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ hat am Hans Otto Theater Premiere
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Die Zeit läuft. Nur sieben Stunden bleiben dem Zauberer Beelzebub Irrwitzer und seiner Tante, der Geldhexe Tyrannja Vamperl, um das Versäumte des Jahres aufzuholen: Zehn Tierarten gilt es noch bis Silvester-Mitternacht auszurotten, fünf Flüsse zu vergiften, Bäume zum Absterben zu bringen. Allein der „satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ – so der irrwitzige Titel der Zauberposse von Michael Ende, die am morgigen Donnerstag am Hans Otto Theater Premiere hat – kann die beiden Bösewichter retten.
Jörg Westphal, der den zaubernden Irrwitzer spielt, geht dieser holprige Titel erstaunlich leicht über die Lippen, obwohl er ihn in der 80-minütigen Aufführung überhaupt nicht sprechen muss. „Er setzt sich aus den Worten Satan, Anarchie, Archäologie, Lüge, genial, Alkohol und höllisch zusammen. Die zweite Silbe ist zugleich die erste des nächstfolgenden Wortes.“ So einfach also. Jörg Westphal mutmaßt insgeheim, dass Michael Ende beim Schreiben der so schräg daherkommenden Worte und Situationen selbst zum Wunschpunsch, also zu Drogen gegriffen haben könnte. „Einer malt danach Bilder wie Dali, der andere schreibt eine Geschichte wie den satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch.“ Der Schauspieler in knielangen blau-weiß gestreiften Hosen, der der Spätsommersonne mit einem kleinen schwarzen Hütchen trotzt, freut sich, dass er diesen Bösewicht in der 1989 geschriebenen Geschichte spielen darf, der eigentlich gar nicht richtig böse ist. „Irrwitzer ist eher ein korrupter Wissenschaftler, ein Lebemensch. Er hat einen Vertrag unterschrieben, der ihm mehr Macht verspricht und eben dolce vita. Ganz menschlicher Natur. Er denkt nur an sich und blendet die Folgen aus. Nur zu dumm, dass er das Kleingedruckte im Vertrag nicht gelesen hat.“
Bis Mitternacht müssen jedenfalls Irrwitzer und seine Tante den Wunschpunsch trinken, der die geheime Qualität besitzt, alle Wünsche in ihr Gegenteil zu verkehren. Doch da fängt das nächste Problem an: Beide besitzen jeweils nur die Hälfte des fünf Meter langen Rezeptes und keiner will seinen Teil an den anderen abtreten. Und natürlich stehen ihnen auch Widersacher im Wege, die die Vernichtung der Welt verhindern wollen: die eingeschleusten Spione Rabe und Kater.
Um all die mitunter vertrackten Handlungen den Kindern klarer werden zu lassen, haben der Dresdener Regisseur Peter Kube und sein kleines Team freier Schauspieler auch einiges hinzugedichtet, um es für die Zuschauer ab acht Jahren verständlicher werden zu lassen. Es steckt viel Philosophie drin in dieser Geschichte, die bereits ein Jahr nach ihrem Erscheinen in einer Theaterfassung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg uraufgeführt wurde, aber seltener auf den Spielplänen steht als beispielsweise Michael Endes „Momo“. „Es ist ein unheimliches Konstrukt, das die Kinder erst mal schlucken müssen. Das ist nicht so einfach wie Hänsel und Gretel. Es könnte sehr schnell auch ödes Erzähltheater werden“, so Westphal. Aber Regisseur Peter Kube habe auf Spielfreude und jede Menge Slapstick gesetzt, was auch eine größere skurrile Spielweise erfordere. Die bizarren Kostüme werden dieses Skurrile unterstreichen, glaubt der Schauspieler. Begeistert zeigt er auf einem Handyfoto seine Maske. Da sieht man ihn mit schwefelgelbem Gesicht und einem Kopf wie von ein Elefantenmenschen mit Riesenstirn und aufgesteckten Pfauenfedern. Und einen Zauberstab wird er haben. Darauf hat er bestanden. Unbedingt. Denn er weiß von seinen eigenen beiden Kindern, welche Anziehungskraft die Zauberei besitzt. „Meine Kinder sind große Harry-Potter-Fans. Wir lesen uns die Bücher immer gemeinsam vor. Selbst der Achtjährige liest inzwischen wie eine Eins.“ Trotz der nicht immer ganz einfachen Konstellation bei Michael Endes Wunschpunsch werde es auch dort viel Budenzauber geben. „Wir haben tief in die Trickkiste gegriffen. Es wird puffen und zischen. Nebel steigt auf.“
Ist so viel Magie ein Problem für den am Realismustheater geschulten Schauspieler, der 14 Jahre dem Grips-Theater Berlin angehörte? „Ich hatte schon Bedenken, ob ich es so einfach hinkriege. Aber es fiel mir doch erstaunlich leicht. Dafür hat man schließlich die Schauspielschule besucht.“ Die nahm ihn beim ersten Anlauf und befand sich in Leipzig.
Es war nicht Jörg Westphals eigene Entscheidung, das Grips-Theater zu verlassen, wo er vor allem für Kinder und Jugendliche spielte, aber auch in den Kultstücken „Linie 1“ oder „Ab heute heißt du Sara“ für Erwachsene zu sehen war. Doch zum Sommer kam ein neuer Intendant und für ihn das Aus. „Zweifellos habe ich wirtschaftliche Ängste, denn ich weiß, wie viele arbeitslose, oder wie man so schön sagt freie Schauspieler es allein in Berlin gibt.“ Doch er sieht auch die künstlerischen Chancen, die sich gleich beim „Wunschpunsch“ offenbarten, seiner ersten Arbeit am Hans Otto Theater. Ein Glücksgriff, wie er betont, zumal er den Bösen spielen darf, was immer spannender ist als der positive Held. Und zudem stimme die Chemie in dem kleinen Wunschpunsch-Team – keine Kräche, keine Intrigen, wie es auf der Bühne zu erleben ist. Ein Stück, an dem sicher auch die Erwachsenen ihre Freude haben, hofft der 1968 geborene Schauspieler. Die Großen werden sich vielleicht bei seinem Irrwitzer ein bisschen an Louis de Funès erinnert fühlen. Nicht nur aufgrund der Stimme. Und mit einem diebisch-schmutzigen Lachen. Das hat Jörg Westphal, der Mann mit der tiefen Stimme, ganz spontan drauf. Und das wird er wohl demnächst auch als Rumpelstilzchen ertönen lassen, denn er bleibt durch die Übernahme dieser Rolle dem Hans Otto Theater weiter als Bösewicht erhalten.
Premiere am morgigen Donnerstag, 10 Uhr, in der Reithalle in der Schiffbauergasse
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