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Kultur: Casanovas, überall

Das Poetenpack kündigte beim Punsch im Q-Hof sein Programm für 2006 an

Stand:

Wer der Einladung des Poetenpacks am dritten Advent folgte und in das alte Gehöft des Q-Hofs trat, am Ende der Lennéstraße, kurz vor dem Parkeingang gelegen, der tauchte ein in eine wundersam rustikale Inszenierung. Ein Pferdchen begrüßte die Ankömmlinge von seinem mit Strippen abgeteilten Freiluftgehege, ein großes Lagerfeuer bemühte sich, die zahlreichen Gäste zu erwärmen, ein Punschtrog hing über rauchender Feuerstelle. Im Sommer wurden von der freien Schauspielertruppe in dieser Idylle erfolgreich zwei Stücke von Tschechow aufgeführt. Zu ihrem Dankeschön an die Nachbarn dieser atemberaubend entrückten Spielstätte und an Freunde und Förderer diente diese Kulisse nun auch als atmosphärischer Rahmen, um die vergangene Saison abzuschließen und Ausblicke ins neue Jahr zu gewähren.

Das Publikum nahm am Lagerfeuer Platz auf einem Ring aus Strohballen, während der Gründer der in Brandenburg und Sachsen-Anhalt spielenden Theatergruppe, Andreas Hueck, in rauch- und funkengeschwängerter Luft sein Resümee zog. Die marode Fassade des Hofes in Verbindung mit einer gegen die Kälte ankämpfenden Open-Air-Veranstaltung konnte vielleicht sinnbildlich für die Situation des Poetenpacks verstanden werden: In wirtschaftlich äußerst angespannten Zeiten kann man mit Zufriedenheit auf das Geleistete zurückblicken. Zumal die Gruppe mit nur vier fest engagierten Kräften im Q-Hof nun auch mit ihrem Büro eine feste Adresse besitzt.

Hier möchte man zunächst bleiben. Büchners „Leonce und Lena“ wird hier im „Kleinen Sommertheater“ zu sehen sein. Der Verein Q-Hof, mit dem das Poetenpack nun ein gedeihliches Zusammenleben pflegt, möchte das Areal langsam zu einem stimmungsvollen Hofensemble entwickeln. Die „Mutter Fourage“ in Wannsee steht dafür Modell. Theater wird es dort geben, ein Cafébetrieb ist eine der Visionen.

Das Poetenpack würdigt Wolfgang Amadeus Mozart mit der Uraufführung von „Mozart & Casanova“, das genau am Geburtstag des Genies, dem 27. Januar, im Logenhaus an der Kurfürstenstraße mit Musik aus „Don Giovanni“ aufgeführt wird. Dieser spezielle Auftrittsort weist auf den Umstand hin, dass beide Helden – die in dem von Kerstin Tomiak geschriebenen Stück aufeinander treffen – dem Freimaurerbund angehörten. Begegnet sind sie sich in Wirklichkeit freilich nie.

Das „Große Sommertheater“ des Poetenpacks ist traditionell immer ein Stück von William Shakespeare. Im neuen Jahr wird „Ende gut, alles gut“ aufgeführt, und zwar, wie im letzten Jahr, im Belvedere auf dem Pfingstberg.

Nach der Vorausschau begann Andreas Hueck Verse von Mascha Kaléko zu rezitieren. Umrahmt wurden die Gedichte von Noriko Seki, die ihr Akkordeon mit einer sehr zarten, sehr intensiven Innerlichkeit spielte.

Die 1912 in Galizien geborene Kaléko war, so erinnerte Hueck, schon in jungen Jahren in Berlin eine Berühmtheit. Ihre Poesie ist bis heute so beliebt, weil sie einfache Naturbeobachtungen aufgreift und sie vor Lebensmut und Bewunderung für das Detail strotzen – obwohl das lyrische Ich Bedrängnis verspürt. Wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt, musste sie 1938 in die USA emigrieren, von wo aus ihre Gedanken voller Melancholie bis hin zum heimatlichen Seeufer in Kladow schweiften. Kaléko starb 1975 in Zürich.

Der Frühling war nicht nur für die Lyrikerin eine Hoffnung. Auch um das lodernde Feuer im Q-Hof flüchtete sich die fröstelnde Menge in eine wärmende Romantik, die für das nächste Jahr interessantes Theater vom Poetenpack verspricht.

Matthias Hassenpflug

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