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Kultur: Cool und tiefgründig

Juliane Sprengel will ein Anne-Frank-Musical inszenieren und sucht jugendliche Sänger und eine Band

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Dunkle Gestalten besprühen im Halbdunkel einen Güterwaggon mit Nazisymbolen. Kurz danach betritt Anne Frank die Bühne. Sie feiert mit Freunden ihren 13. Geburtstag und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich erwachsen zu sein. Anne möchte ernst genommen und nicht als Kind ungefragt an die Seite gedrängt werden. Das Mädchen weiß bei dieser Feier noch nicht, dass sie bald von der ganzen Gesellschaft ausgegrenzt, ja in den Tod getrieben wird.

Das Musical „Kitty – Gegen das Vergessen“ von Michael Schmoll lässt die bekannte Geschichte des jüdischen Mädchens Anne Frank, das in ihrem Versteck in Amsterdam Tagebuch schrieb und 1945 im Konzentrionslager Bergen-Belsen starb, auf die dunklen Gestalten des heutigen Rechtsextremismus prallen.

Die Potsdamer Sängerin und Chorleiterin Juliane Sprengel sieht in der Aufführung dieses vor drei Jahren entstandenen Musicals eine gute Möglichkeit, Jugendliche für das Thema Ausländerfeindlichkeit und rechte Gewalt zu sensibilisieren. Das europaweit gespielte Werk, das für sie von berührender Eindringlichkeit ist, soll ihr erstes Projekt mit einem Jugendchor und einer Jugendband werden und am 10. November in der Friedenskirche Sanssouci Premiere haben. Bislang hat Juliane Sprengel erst eine Handvoll Mitwirkende, die ihrem Kinderchor an der Friedenskirche entwachsen sind. Die möchte sie auch künftig musikalisch begleiten und darüber hinaus weitere Jugendliche gewinnen. Während für die ebenfalls zu gründende Band die Jugendlichen ihr Saxophon, Keyboard, Schlagzeug, Querflöte oder Bass schon etwas beherrschen sollten, nimmt sie die Sangesfreudigen von 12 bis 16 Jahren auch ohne musikalische Vorbildung auf. „Umso mehr, umso besser“, sagt sie.

Juliane Sprengel freut sich, dass sie künftig an der Friedenskirche auch Jugendliche stimmlich formen kann. Denn es geht ihr bei dem Musicalprojekt nicht nur um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus, sondern zugleich um eine solide musikalische Ausbildung. In diesem Projekt lasse sich beides verbinden. „Wenn jemand singt, muss er seine Seele preisgeben, nur dann ist er wahrhaftig.“ Die Musik dieses Musicals sei sehr eingängig und melodisch, habe auch Ohrwürmer. „Aber es gibt auch die stillen Momente mit Gänsehaut.“

Für Juliane Sprengel ist es eine Herzenssache, Standpunkt zu beziehen. „Es ist doch erschreckend, wie oft Ausländer bei uns schlecht behandelt werden. Jeder kann ein bisschen etwas dagegen tun.“ Sie möchte den Jugendlichen indes nichts überhelfen, sondern sie langsam in das Thema einführen: „Ich schaue, wie viel sie wissen wollen und was sie verkraften.“ Um Heranwachsende starkzumachen, Position zu beziehen, sei es das beste, sie mit ganz konkreten Schicksalen zu konfrontieren. Wie mit dem von Anne Frank. Auch Anne hatte wie Jugendliche heute Probleme mit den Eltern und der Schwester, litt unter Liebeskummer. Aber sie litt vor allem auch darunter, dass sich immer mehr Freunde von ihr abwandten, weil sie Jüdin war. „Ich will raus aus der Enge und aus der Verlogenheit. Alles ist so flach, keiner sagt, was er wirklich denkt und fühlt“, heißt es in einem Song, den Anne in dem Musical singt.

Auf die Bühne gelangen Szenen aus Anne Franks Leben, die nach ihrem Tagebuch rekonstruiert worden sind. Man sieht auch die Qual der Mutter, wie sie sich verstellt, um den Töchtern die Angst zu nehmen. Sie traut sich nicht, ihnen zu sagen, dass sie sich verstecken müssen. Acht Menschen stehen am Anfang auf der Bühne, sagt Juliane Sprengel. Nach und nach treten sie ab. Am Ende bleibt nur noch der Vater übrig: als einziger Überlebender. Er erzählt die Geschichte zu Ende, von dem Tod seiner Frau und den beiden Töchtern, die ein paar Monate vor der Befreiung an Entkräftung im Konzentrationslager gestorben sind.

Juliane Sprengel möchte sich mit den Chor- und Bandmitgliedern auch auf die jüdischen Spuren in Potsdam begeben, entlang der „Stolpersteine“ schauen, welche Menschen von hier aus in Konzentrationslager gebracht wurden. Erst dann werden sie sich diesem Musical zuwenden, das einfach gut gemacht sei: „cool und modern und zugleich tiefgründig und sensibel“, so die erfahrene Theaterfrau, die als Sopranistin immer wieder in Inszenierungen des T-Werks zu erleben war und mit ihren beiden Kinderchören der Friedenskirche jedes Jahr selbst Projekte auf die Bühne bringt.

Der aus der Nähe von Osnabrück stammende Komponist Michael Schmoll hat „Kitty – Gegen das Vergessen“ – Kitty ist der Name von Anne Franks Tagebuch – in einer Werkstattwoche gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt. Auch Juliane Sprengel möchte mit ihrem neu entstehenden Chor und der Jugendband das Musical gemeinsam durchdringen und den Bogen aus der Zeit des Nationalsozialismus ins Hier und Heute schlagen. Sie sollen spüren, was sie singen und spielen, wie in dem Song: „Ich will erwachsen sein, will selbst entscheiden, ich weiß doch am besten, was gut für mich ist. Doch – wem soll ich trauen. Wer interessiert sich für mich? Ich fühl mich so allein.“

Interessenten für Chor und Band können sich unter Tel.: (0331)9791956 oder juliane-sprengel@web.de melden. Probenstart ist am 18. Februar um 17 Uhr im Friedenssaal, Schopenhauer Straße 23. Die Teilnahmegebühr: 20 Euro im Monat

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