
© promo
Vor 35 Jahren erschien die erste Single von Engerling. „Da hilft kein Jammern“ sang die Band damals wie heute. Und deshalb gibt es sie nach 37 Jahren wohl immer noch. Am Freitag, den 2. November um 20 Uhr, gastieren die Blues-Rocker auf dem Theaterschiff. Erstaunlich, dass dieser Song zu DDR-Zeiten überhaupt öffentlich werden durfte; denn schließlich folgte auf die Zeile „Da hilft kein Jammern“: „Da hilft nur fortzugehn“, was natürlich wie eine Aufforderung (miss)-verstanden werden konnte, in den Westen abzuhauen. Da hatten die Zensoren offensichtlich ihren großzügigen Tag. Andererseits musste aus dem Text ein fast unmerklicher Seitenhieb auf den Vorzeigeschauspieler Dean Reed entfernt werden, der aus den USA in die DDR übergesiedelt war. Schon im Tonstudio monierte der Produzent von Amiga diese leise Kritik an das propagandistische Aushängeschild, und so wurde aus Dean Reed eben Belmondo.
Gert Leiser, der die Band seit 34 Jahren als Organisationsleiter begleitet, erzählt, dass die Engerlinge ohne Knick über die Wende kamen. „Weil sie keine ferngesteuerte Band war. Gruppen wie ,Wir’ hatten zehn Konzerte mit 500 Besuchern im Jahr und überlebten, weil sie vom Komitee für Unterhaltungskunst bezahlt wurden. Für uns gab es keine Zuschüsse. Wir mussten uns unsere Klubs und Kneipen alleine suchen.“ Und diese Orte gibt es zum Großteil heute noch. „Der kleine Kneiper in Sachsen hat nur das Preisschild geändert, während Klubhäuser schließen mussten.“ In großen Städten wie Berlin oder Leipzig sollten Bluesbands ohnehin nicht auftreten, diese trampende Fangemeinde in ihren grünen Kutten, den Parkas, und den „Jesuslatschen“ war von Staats wegen in Massen nicht gern gesehen. Also gings am Wochenende meist aufs Dorf. Kurz bevor die letzte Bahn fuhr, mussten Frontmann Wolfram Bodag und seine Mannen Mundharmonika und Gitarre in die Ecke legen, dass alle wieder nach Hause kamen.
In den Westen haben es Engerling bis heute nicht richtig geschafft. Ein bis zwei Konzerte im Jahr, mehr nicht. Und das vor vielleicht 50 Zuschauern, räumt Leiser ein. „Es gibt ein derartiges Überangebot an Musik“, so der Manager. „Zum Glück finde ich trotzdem immer wieder Auftrittsorte: Wenn die Band ein gutes Konzert abliefert, ist es die beste Werbung fürs nächste Jahr.“ Doch nichts sei mehr ein Selbstläufer. Auch für Potsdam hat er bereits 80 Plakate bestellt, um in der Stadt gut sichtbar zu sein.
Irgendwie passten sie in all den Jahren nirgends so recht ins Konzept und haben es doch geschafft, sich selbst und ihrem Publikum treu zu bleiben. Den DDR-Kulturfunktionären schien die Band um Pianist und Songwriter Wolfram Bodag als Blues-Band zu weit weg vom Idealbild des liedhaften Rock „als eigenständigen DDR-Beitrag zur internationalen Musikkultur“, wie es damals hieß. Blues-Puristen dagegen kritisierten mangelnde Authentizität einer Bluesband, die sich um die Einhaltung des originalen Zwölf-Takt-Schemas wenig scherte und statt dessen Blueselemente nach Belieben mit Rock- und Soulelementen vermengte oder sich gar in lange Improvisationen verstieg. Beharrlich feilt die Ost-Formation an ihrem eigenen Stil mit intelligenten Texten im Grenzbereich zwischen Deutschrock und eben doch Blues.
Ihre musikalische Qualität hat auch die in Detroit lebende Rocklegende Mitch Ryder erkannt. Jährlich geht er mit Engerling in Europa auf Tour. „Dadurch ist unser Wirkungskreis größer geworden“, so Leiser. Für den Sänger und und Songwriter ist Engerling eine reine Begleitband. „Wolfram Bodag ist froh, wenn er mal nicht der Frontmann sein muss und sich auf Keyboard und Mundharmonika konzentrieren kann“, sagt Gert Leiser. Auf dem Theaterschiff darf man sich aber wieder auf seine raue, warme Stimme freuen. Heidi Jäger
Theaterschiff, An der Alten Fahrt, 2. November, 21Uhr. Karten für 15 Euro unter Tel. (0331) 2800100. Die PNN verlosen dreimal zwei Freikarten am morgigen Donnerstag ab 10 Uhr unter Tel.: (0331) 2376116
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: