Kultur: Dämonischer Totentanz im Nikolaisaal 4. Sinfoniekonzert mit dem Staatsorchester
Eine Reise nach Frankreich konnte man im 4. Sinfoniekonzert am Samstag im Nikolaisaal unternehmen.
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Eine Reise nach Frankreich konnte man im 4. Sinfoniekonzert am Samstag im Nikolaisaal unternehmen. Natürlich war es nur ein Ausflug mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter der Leitung seines Chefdirigenten Howard Griffiths. Doch es waren gewichtige Werke des 19. und 20. Jahrhunderts, die repräsentativ sind für die Musik unseres Nachbarlandes. Ein Walzer bildete den Auftakt: „La Valse“ von Maurice Ravel. Man hielt den Komponisten lange Zeit für einen introvertierten Perfektionisten, der selbst dort, wo er einen beißend-ironischen Ton äußerte, nur fast schüchtern ein notwendiges Fortissimo auf das Notenpapier tupfte. Doch spätestens im ekstatischen Aufbäumen in „La Valse“, das sich eines eleganten Zugriffs über weite Strecken verweigert, wird man eines Besseren belehrt. Dazu trug auch die Interpretation durch Howard Griffiths bei. Er dirigierte das Stück der doppelbödigen Walzerseligkeit mit dieser entfesselten Geste, in der Dämonisches sich breit – und als Totentanz seine Aufwartung macht.
Anschließend führte Francis Poulencs‘ Konzert für zwei Klaviere und Orchester in d-Moll, eines der wenigen Werke, das für diese Besetzung geschrieben wurde, die Zuhörer in eine freundlich-heitere Welt. Das war geprägt von einem ironisch gebrochenen Zug und filigran gesponnenen Reminiszenzen an Mozarts Klavierkonzerte. Das Werk ist jedoch kein Vehikel für Pianisten, sich mit großen Gesten zu profilieren, sondern erfordert leichte Geläufigkeit. Das Berliner Klavierduo Mona und Rica Bard, das zum ersten Mal im Nikolaisaal auftrat, spielte es locker, spritzig und sehr souverän. Alles Schwere verschwand aus dieser Musik. Es war einfach vergnüglich, dem Duo und dem Staatsorchester, das als aufmerksamer Kommunikationspartner fungierte, zuzuhören. Entsprechend herzlich applaudierte auch das Publikums. Mona und Rica Bard bedankten sich wiederum mit einem Walzer, einem von Francis Poulenc, der übrigens vor 50 Jahren starb.
Die „Symphonie fantastique“ op. 14 von 1830 ist wohl Hector Berlioz‘ bekanntestes Werk und das erste exemplarische Stück der Gattung Programmmusik. Inspiriert wurde er dazu durch eine Theateraufführung von Shakespeares Hamlet. Bei der Vorstellung verliebte Berlioz sich in die Ophelia-Darstellerin Harriet Smithson. Bevor sie einige Jahre später seine Frau wurde, litt er mehrere Monate an Entbehrung, Liebeskummer und Einsamkeit. Als Hommage an seine Liebe schuf er die „idée fixe“, das zentrale Leitmotiv, das während des gesamten Werkes immer wieder auftaucht. Es ist eine sehr schwärmerische Melodie, die anfangs wie ein Licht erscheint, sich dann aber stark verändert und schließlich als zerstörerisches Abbild im Hexensabbat wieder auftaucht.
Howard Griffiths und das Staatsorchester haben die dem Werk eigene Dramatik und den Spannungsaufbau von den romantisch-träumerischen Sequenzen der ersten beiden Sätze bis hin zum wilden Albtraum des Hexensabbats sehr stringent dargestellt. Das riesig besetzte Orchester klang insgesamt sehr homogen, wobei vor allem die Blechbläser ein großes Lob verdienen, denen die Komposition einiges abverlangt. Doch sie ließen zu keiner Zeit die nötige Schärfe vermissen, wirkten aber nie überartikuliert. Zugleich setzten sie die nötige Akzente, die einen erheblichen Teil des Spannungs- und Farbenreichtums ausmachten. Klaus Büstrin
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