
© M. Thomas
Kultur: Dann eine kleine Pause
Die Potsdamer Band Hasenscheisse spielt bei der Berlin Music Week
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Die späte Sonne knallt auf die Terrasse der Theaterkantine am Tiefen See, und Christian Näthe, Gründungsmitglied der Band Hasenscheisse, wird im Anschluss an das freundliche Gespräch „hier irgendwo noch mal ins Wasser springen“, solange es so schön ist. Jetzt schaut er rüber zur „fabrik“, traditioneller Auftrittsort der Potsdamer Formation, dann weiter zum Parkplatz: „Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob es in Berlin was zu gewinnen gibt. Womöglich singen wir dann bei der nächsten Autohauseröffnung – eine Horrorvorstellung, die wir mit vielen Kollegen teilen.“
Bei etwa 30 Konzerten im Jahr hat eben nicht mehr jedes Bandmitglied den Überblick. Am morgigen Donnerstag spielt Hasenscheisse beim Rubys Brandenburg im Rahmen der Berlin Music Week. Mit dabei drei Bands aus Brandenburg an der Havel, Cottbus und der Prignitz. Für Potsdamer Fans womöglich die letzte Gelegenheit in diesem Jahr, ein Konzert zu besuchen ohne weit fahren zu müssen. „Ich glaube, wir lassen das übliche Weihnachtskonzert in der fabrik dieses Mal ausfallen“, sagt Näthe etwas nachdenklich.
Ein Burnout? Zu viel Stress? Nein, sagt er, aber eine kleine Pause, ein Zurückfahren müsse man sich schon mal gönnen. Sie alle haben normale Jobs nebenbei, zwei der Jungs werden demnächst Väter, außerdem haben sie 2012 viel Kraft in die Produktion der dritten CD gesteckt. „30 Tage waren wir im Studio – das ist viel“, sagt Christian Näthe, „aber wir sind eben keine professionellen Musiker.“
Angefangen hatte alles Mitte der 90er, als die beiden Bandgründer sich durch einen Zufall bei einem Mittelalterspektakel begegnen. Näthe und Gitarrist Matthias Mengert sind dort beide als Bardensänger unterwegs, springen bei Rollenspielen schon mal auf den Tresen der Burgtaverne und „machen den Zampano“, wie Näthe sagt. Und stellen fest: „Mensch, wir machen das beide gern, lass uns als Duo auftreten“. In loser Form tun sie das, bis es 2006 zur Initialzündung kommt, weil die Fans nach einer Aufnahme verlangen. „Da merkten wir, es fehlt noch was beim Sound, der ist sonst zu textlastig, zu anstrengend und holten Cajon, Kontrabass und Akkordeon dazu.“ Jetzt gehört Sascha Lasch an Schlagzeug und Percussion zur Band, André Giese am Bass und Stephan Fuchs spielt Akkordeon.
2006 ist auch das Jahr ihres größten Erfolgs. „Bernd am Grill“ ist ein Zufallsprodukt, aber hier vereint sich alles, was ein Hit mitbringen muss: Eine ins Ohr gehende Melodie, „ein Refrain der fetzt“, und inhaltlich habe man sich auf dem „kleinsten gemeinsamen Nenner aller getroffen: beim Grillen“. Ein saisonaler Evergreen. Nach „Bernd am Grill“ hätte es vielleicht auch eine Ballerman-Karriere auf Mallorca sein können. „Radio Fritz hat bei uns angeklingelt und uns am Anfang supportet“, sagt Näthe. „Die dachten sich, Leute, da ist was drin – aber die wollten gleich ernten ohne unser zartes Pflänzchen zu gießen, nee, nee.“ Näthe, in dessen Sprache sich das naturnahe Elternhaus verrät – Vater Jörg ist Gärtner auf der Freundschaftsinsel –, lächelt wieder milde. „Wir sind uns treu geblieben. Wir sind nicht auf Ballerbums festgelegt.“ Dennoch durften die „Randfichten“, eine erzgebirgische Volksmusikcombo mit TV-Quote, den Titel covern. „Wir haben das autorisiert, aber die haben daraus eine handzahme Version gemacht, der ganze freche Charme fehlt.“
Ein Drama ist das nicht, denn Hasenscheisse ist mehr als Grillwurst. Bewusst gibt es auch keine Bernd-am-Grillschürze zum Erfolgshit, obwohl die Leute immer wieder danach fragen. „Wir spielen den Titel auch fast auf jedem Konzert – aber mittlerweile erst zum Schluss. Wir sind ja keine Kirmesband.“
Es gibt ja genug andere Lieder. Als Fantasy-Trash-Balladen bezeichnet diese auch der Veranstalter beim Rubys Brandenburg. Alles eigene Songs, die meist in einem kreativen Anfall gemeinsam entwickelt werden, vom ersten Stichwort bis zur Feinjustierung. Nicht alles müsse dabei lustig sein, kein „Humorzwang zu Dur–Akkorden und Schalalalala“.
Dennoch sind sie auf den ersten beiden Plattencovern in Hasenkostümen mit Patronengürteln zu sehen. „Wir würden so aber nie auftreten, wir sind doch keine Clowns“, sagt Näthe, „außerdem hat der Kostümverleih dicht gemacht.“
Die neue komplett in Eigenregie produzierte CD „a-moll“ weist schon im Titel darauf hin, dass im Leben nicht immer alles lustig ist. Das Cover im Art-Work-Design erinnert an eine sich empor reckende Arbeiterfaust, nur dass diese gerade kein Gewehr, sondern einen Gitarrenhals umschlossen hält. „Bitte mit Ironie betrachten“, sagt Näthe. Es sei aber ein schönes Gefühl, alles in der eigenen Hand zu haben. Steffi Pyanoe
www.hasenscheisse.com
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