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Kultur: Das Besondere

Der „vacat“-Verlag Babelsberg reicht „Feigen für Fürsten“ und beendet damit seine Pomologische Reihe

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Sie wird in königlicher Schatulle gereicht. Schon von außen ist ihre Präsentation ein Augenschmeichler. Doch mit dem Öffnen entfaltet sich erst die ganze Sinnlichkeit: anregend frisch und von betörendem Zauber. „Feigen für Fürsten“ heißt die vom Potsdamer „vacat“-Verlag herausgegebene achte und vorerst letzte Fruchtfolge aus der Reihe „Potsdamer Pomologische Geschichten“. Diese Bücher leben von den Farben, von ihrem Körper, von den liebevollen Details. Sie wollen in die Hand genommen, Seite für Seite genüsslich durchblättert werden.

Schließlich ist sie nicht irgendeine Frucht: diese Feige. Götter und Könige haben sie verehrt. Auf der Terrasse unterhalb von Sanssouci wechseln sich Feigenbäume und Weinstöcke ab. Ja, selbst im Paradies sorgte dieser Baum für Aufregung: Seine großen handförmigen Blätter schienen die rechte Form zu haben, um die Scham von Adam und Eva zu bedecken. Verführt von der Schlange hatten sie vom Baum der Erkenntnis genascht und plötzlich ihre Nacktheit gesehen. Es gibt honorige Autoren, die behaupten, dass es die Feige war und nicht der Apfel, von dem die beiden kosteten. Kein Geringerer als Thomas Mann schloss sich in „Joseph und seine Brüder“ dieser Meinung an. Was nahe liegt: Warum sollten Adam und Eva nicht die Frucht des gleichen Baumes gegessen haben, dessen Blätter sie als Kleidung nutzten?

Wie auch immer: Dem kleinen Verlag in der Sauerbruchstraße ist es erneut gelungen, nicht nur das Obst in allen erdenklichen Facetten darzustellen, sondern auch die Kulturgeschichte dahinter zu erzählen, die viel mit der Region und Sanssouci zu tun hat. Denn schon seit 1666 wuchsen beim Großen Kurfürsten im Berliner Lustgarten Feigenbäume. Die ersten Nachrichten von der Feigenkultur in den königlichen Gärten in und um Potsdam stammen von 1713: Selbst der knausrige Soldatenkönig bekannte sich zur der exotischen Frucht und ließ 30 in Kübeln stehende Feigenbäume in den königlichen Küchengarten nach Potsdam schaffen. Dort verbrachte Friedrich II. manchen Sommersonntag seiner Kindheit und der Geschmack süßer reifer Feigen auf der Zunge ließ ihn – kaum König geworden – alsbald eine Kabinettsordre verfassen, dieses paradiesische Obst weiter zu kultivieren.

Eigentlich sollte das mit lila Farbschnitt versehene Büchlein zur Feige pünktlich zum 300. Geburtstag des Königs im vergangenen Jahr im Buchhandel sein und „Feigen für Friedrich“ heißen. „Aber da unsere Autoren nicht aus den Puschen gekommen sind, viel rumreisen und in anderen Projekten arbeiten, konnten wir den Termin nicht halten“, sagt Frank-Michael Feller, der gemeinsam mit seiner Frau Betina Müller den „vacat“-Verlag seit 19 Jahren betreibt: er als Geschäftsführer, sie als Gestalterin. Nun sind also daraus „Feigen für den Fürsten“ geworden – was ja auch stimmt. „In den ersten Jahren haben wir jedes Jahr ein Buch in der Pomologischen Reihe herausgebracht, dann wurde der Abstand immer größer, weil die Autoren länger brauchten. Nun ist Schluss damit. Wir haben erst mal die Nase voll“, zeigt sich Feller rigoros. „Man muss auch aufpassen, dass man nicht den Stempel aufgedrückt bekommt: ,Da kommt der wieder mit dem Obst’.“ Feller reist selbst mit dem Koffer durchs Land, um seine Bücher in den Buchhandel unterzubringen. Kein leichtes Unterfangen. Aber sie haben es geschafft, fast 20 Jahre durchzuhalten: mit dem Besonderen statt Bestseller. Das ist angesichts der großen Verlagsketten schon ein kleines Wunder. „Das Regionale kommt bei Hugendubel oder Thalia kaum ins Sortiment und wird an den Rand gedrückt.“ Ja selbst in den Shops von Sanssouci will man ihre Potsdamer Pomologischen Geschichten über Kirschen, Erdbeeren oder Melonen nicht haben. „Die kaufen die Bücher erst gar nicht. Angeblich sind sie mit 15 Euro zu teuer. Die Touristen wollen Kulis, Servietten, Regenschirme – so die Auskunft der jetzigen Einkäuferin. Dabei lief es zuvor sehr gut. Es ist stark vom Personal abhängig, was eine Verkaufschance bekommt“, glaubt Feller. Das Almanach mit den Feigen ist aber durchaus in Potsdam und Umgebung erhältlich: im Internationalen Buch oder im Liebermann-Museum Wannsee. Hinter dem grafischen Erfolg der Frucht-Kollektion, die 2008 mit dem Designpreis Brandenburg Berlin ausgezeichnet wurde und für den Designpreis 2010 nominiert war, steckt vor allem Betina Müller. „Ich habe zwei Leben: als Professorin für Typografie an der Fachhochschule Potsdam und als Buchgestalterin“, so die Frau mit dem feinen Händchen für’s Exklusive. Eine Zeit lang gab sie sechs Titel im Jahr heraus, „aber das ist eine Frage der Energie. Das Verlagsgeschäft ist doch sehr anstrengend neben der Professur.“ Vielleicht belassen sie es künftig bei einem Projekt pro Jahr. Die Suche nach dem Besonderen – die wird indes bleiben.

„Feigen für Fürsten“ von Marcus Becker, Marina Heilmeyer, Gerd Schurig und Clemens Alexander Wimmer, 15 Euro

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