Kultur: „Das Böse kommt viel subtiler daher“
Dani Levy war beim Filmgespräch im Thalia zu Gast und ließ sich gern auf die kontroverse Diskussion ein
Stand:
Als er sich am späten Abend auf den Heimweg ins havelländische Mögelin macht, spürt man seine Zufriedenheit. Nach all“ den Verrissen, die er für seine „Führer“-Komödie einfuhr, war der weitgehend positive Zuspruch im Thalia eine Streicheleinheit für die Seele. Aber auch den Kontroversen begegnete Regisseur Dani Levy bei dem Filmgespräch am Donnerstag mit großer Offenheit. Es sei eben sein ganz persönlicher „Führer“-Film. Karin Weiss, die Integrationsbeauftragte Brandenburgs, sagte bei dieser recht gut besuchten und rege zur Diskussion genutzten Gemeinschaftsveranstaltung mit der Fachhochschule und der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass sich ihre Erwartung an einen lustigen Film nicht erfüllt habe. „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ löste bei ihr vielmehr tiefste Betroffenheit aus. Eine andere Zuschauerin sagte indes, dass sie den ganzen Abend durchlachen konnte. Für sie habe sich eine Schwere gelöst, ohne dem Thema die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Dany Levi verteidigte seine psychologisch-pädagogische Perspektive, für die er so viel Schelte in der Presse bezogen hat. Er sehe die Ursache für dieses menschenvernichtende Nazi-System durchaus im Zeitgeist der Psychologie, in der schwarzen Pädagogik. „Ich erzähle über Hitler und damit gleichzeitig übers deutsche Volk.“ Viele Menschen seien so pervertiert gewesen, dass sie in ihre Funktionen krochen. „Sie müssen es als psychologisch richtig empfunden haben, dass Scheiben eingeschlagen, Menschen verprügelt und ermordet wurden.“ Sie selbst seien als Kinder auf Erziehungshörigkeit gedrillt, mit Willkür und Misshandlungen aufgewachsen. „Später rächen sie sich für das, was sie erlitten haben.“
Das sei ihr zu einfach, hielt ihm Karin Weiss entgegen. Die 20er Jahre seien schließlich auch die Hochzeit der Reformpädagogik gewesen, die Blütezeit alternativen Denkens. „Ich rede über den Standard, man muss nicht mit meiner These D“accord gehen. Ich fand sie aber erzählenswert.“ Und es gebe ja noch sehr viele andere Filme und Sichten zu diesem Thema. Dani Levy, der zuvor mit „Alles auf Zucker“ viel Lob erntete, will, dass Kino den Zuschauer fordere, sich Filme etwas trauen. Gerade ein Film wie „Der Untergang“, der in dem Korsett des unbedingt Abbildhaften steckte, sei für ihn so dogmatisch gewesen, dass er ihn provozierte, sehr antidogmatisch zu werden. „Für mich hatten nicht Fakten und die Wahrhaftigkeit oberste Priorität, sondern das Fabelhafte. Man braucht neue Zugänge, die auch Spaß machen. Nicht immer nur diese Büßerhaltung.“ Er sei gegen das Dämonisieren. „Das Böse kommt viel subtiler daher.“ Er bezeichnete es als „harte Nummer“, wie die Presse ihn attackierte, weil er Hitler nicht klar negativ als Monster dargestellt habe. Ein Zuschauer im Thalia setzte auch an diesem Punkt seine Kritik an. „Mit dem Hauptverbrecher Mitleid zu fühlen, finde ich gefährlich. In Hitler ein Opfer zu sehen, das ist mir zu viel.“ Er sei froh, dass er seine Kinder nicht mit ins Kino genommen habe.
Dany Levi empfand seinen Film für sich als humoristischen Befreiungsschlag, „um dieses ganze perverse, dekadente und abstruse System zu karikieren.“ Viel schwerer als mit der Figur des neurotischen Wracks Hitler habe er mit der Opferfigur des Juden Grünbaum gerungen, der aus dem KZ geholt wurde, um Hitler auf seine letzte durchschlagende Rede vorzubereiten. „Über sie wollte ich keine Witze machen, sie sollte sich durch Kraft, Intelligenz und Weisheit auszeichnen, was Ulrich Mühe auch gut gelang. Doch er erhielt keinerlei Einladung zu Gesprächen. Seine Rolle interessierte niemanden.“ Um Helge Schneider habe man sich indes gerissen, bis er die Reißleine zog. „Ein Wermutstropfen für mich ist, dass er den Film am Ende nicht so gut fand. Aber als er sich in einem Interview von ihm distanzierte, hatte er ihn nur in Ausschnitten gesehen. Nach der Premiere in Essen fand er ihn dann doch ganz gut.“ Helge Schneider sei nicht unter dem Gewicht der Rolle eingeknickt, er konnte sich vom Abbilddruck freimachen und gab seinen Hitler zwischen Ernst und Räuber Hotzenplotz.“
Inzwischen lief die Komödie auch in Österreich. „Dort kam sie sehr gut an. In der Schweiz, meiner Heimat, floppte sie total.“ Im Sommer reist er nun mit seinem „Hitler“ nach Amerika. Hätte diesen Film jemand drehen können, der kein Jude ist, wurde er gefragt. „Die Verwirrung wäre sicher noch ein bisschen größer geworden.“, lacht Dani Levy, der trotz der vielen Kritiken gut schlafen kann. Heidi Jäger
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