Kultur: Das „feine Innere“
20 Jahre musikalisch-literarische Soiréen / Heute Jubiläumskonzert
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Im gesamten Haus wurde musiziert, gesungen und rezitiert. Sonaten von Mozart und César Franck, Chansons von Jacques Prevert, Chormusik alter und neuer Meister konnte man lauschen. Und eintauchen in die geistige Welt Friedrichs des Großen, dessen Briefe an seinen Kämmerer Fredersdorf gelesen wurden. Am 1. Juni 1991 hatte das Alte Rathaus einen großen Tag. Eine neue Veranstaltungsreihe im einstigen Kulturhaus „Hans Marchwitza“ wurde geboren: die musikalisch-literarischen Soiréen. Als „Edelsteine in der Kette Potsdamer Kunstereignisse“ lobte eine Tageszeitung das Unternehmen. Und sie schmücken und bereichern nach wie vor das Musikleben der Landeshauptstadt. Nicht mit Fortissimo-Tönen, sondern eher im Piano, das an das „feine Innere“ (Luigi Nono) appelliert.
Vor 20 Jahren holte Felicitas Herrmann, die für die vielfältigen musikalischen Veranstaltungen im Alten Rathaus verantwortlich war, die renommierte Berliner Violinistin und Professorin Marianne Boettcher und den Pianisten Roland Pröll mit ins Boot. Seine Firma, die sich zunächst finanziell an der Reihe beteiligte, musste jedoch bald wieder aussteigen. Nun gründete man ein Verein, um die Soireen auf sichere Füße zu stellen. Vorsitzende wurde Marianne Boettcher.
Mit großer Leidenschaft und Kenntnis betreut die Geigerin die Konzertprogramme. Besonders ihre Bekanntschaft und Freundschaft mit Musikern haben der Veranstaltungsreihe gut getan. Da waren die legendäre Sopranistin Agnes Giebel, der Cembalist Ulrich Grosser, die Pianisten Sorin Enachescu, Kensei Yamaguchi oder Holger Groschopp zu Gast. Sogar das Petersen-Quartett konnte für eine Soirée gewonnen werden.
Doch nicht nur Berliner Künstler zog Marianne Boettcher heran, sondern auch Potsdamer. Das Consortium musicum, die Flötisten Birgitta Winkler und Christian Lau, der Tenor Gerold Herrmann und der Bariton Thomas Wittig, die Chansonsängerin Johanna Arndt waren gern gesehene und gehörte Gäste.
Von der Barockmusik über die Klassik und Romantik bis zu Werken des 20. und 21. Jahrhunderts reicht nach wie vor das Konzertangebot. Marianne Boettcher selbst engagiert sich immer wieder gern für die neue Musik. Da ist ihr Einsatz für komponierende Frauen, die oftmals in Konzertsälen unterrepräsentiert sind, besonders hoch zu loben. Und so manche Uraufführung von Komponisten beiderlei Geschlechts brachte sie nach Potsdam mit. Dabei hob Marianne Boettcher die Werke auch selbst gern mit aus der Taufe.
Manchmal kann sie auch ihre musizierenden Geschwister für die Mitwirkung in den Soiréen gewinnen: Ursula Trede-Boettcher, Klavier, und Wolfgang Boettcher, Violoncello. Dieses Trio zu hören, wird immer zu einer Sternstunde musikalischen Erlebens. Die heutige Jubiläums-Veranstaltung im Kulturhaus Babelsberg werden die Boettchers gestalten.
Gut 18 Jahre waren die Soiréen im Alten Rathaus zu Gast. Unterstützt von den liebenswerten Mitarbeiterinnen konnte man mehr als 120 Konzerte im Programm des Hauses finden. Das historische Gebäude in der Mitte Potsdams wird nun restauriert und als Potsdam-Museum seine Tore öffnen. Auch die „Soiréen“ mussten sich aus dem heimischen Rathaus verabschieden. Ob es nach der Eröffnung mit der Konzertreihe weitergehen kann, ist noch nicht geklärt. Doch Marianne Boettcher und der Verein haben eine gute Bleibe gefunden. Im Saal des AWO Kulturhauses Babelsberg, das sich im einstigen Rathaus befindet, können die Soiréen, die als funkelnde Edelsteine im Konzertleben Potsdams leuchten, weitergeführt werden. Klaus Büstrin
Jubiläums-Soirée heute, 17 Uhr, Kulturhaus Babelsberg mit dem Boettcher-Trio
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