Kultur: „Das Festvial soll erst einmal Appetit machen“
Karin Graf und Isolde Krupok über Literatur gegen Twitter, einen Krimi am Theater und was Litpotsdam und Fußball gemeinsam haben
Stand:
Frau Graf, Frau Krupok, Sie wollten mit dem am Wochenende stattfindenen Festival Litpotsdam gegen das berüchtigte Sommerloch antreten. Also in der Zeit, in der in Sachen kultureller Veranstaltungen in Potsdam eine regelrechte Flaute herrscht. Nun ist das Sommerloch streng genommen aber schon vorbei.
Isolde Krupok: Aber wir kommen trotzdem!
Karin Graf: Wir konnten einfach nicht früher. Das Geld wurde spät bewilligt und wir Frauen sind eben vorsichtig mit dem Geldausgeben. Es gab keinen früheren Termin, wo wir alle Partner mit ins Boot bekommen hätten. Wir wollten auch nicht gegen andere Festivals ankämpfen. Wir wollen das Alleinstellungsmerkmal.
Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal?
Graf: Wir haben in diesem Jahr einen sehr starken Potsdam-Brandenburg-Bezug, und der soll auch bleiben, allerdings in Bezug gesetzt werden zu internationalen Autoren. Und von je weiter weg die Autoren kommen, desto höher werden die Reise- und Unterbringungskosten und Übersetzungskosten.
Das Geld hat nicht gereicht?
Graf: Nein, es ist ein Pop-Up-Festival, ein Aufschlag, eine Kostprobe.
Krupok: Die Idee war, ein Festival mit zehn Tagen und an noch mehr Orten zu veranstalten. Was jetzt passiert, soll erst einmal Appetit machen. Wir schauen, was sich in Potsdam gerade entwickelt und wollen den Prozess, wie die Stadt wächst und sich verändert, mit Literatur begleiten.
Graf: Die einzelnen Veranstaltungen haben ja Themenüberschriften wie „Überlebensstrategien I und II“, die zeigen die Kraft, die die Autoren in die Literatur stecken – und die der Leser herausziehen kann.
Krupok: In Zeiten von SMS und Twitter wollen wir Ruhe und Behutsamkeit bringen, auch und gerade mit dem Kinderprogramm am Samstagnachmittag.
Auf Ihrem Festival präsentieren Sie Autoren, die fast alle schon einmal oder sogar mehrmals in Potsdam gelesen haben. Warum sollte man sich die jetzt zum wiederholten Mal anschauen?
Graf: Weil einige Autoren neue Bücher vorstellen, andere in neuartigen Konstellationen auftreten. Manche lesen auch gar nicht aus eigenen Werken. Die Potsdamer Schriftstellerin Antje Rávic Strubel liest beispielsweise aus dem Werk von Peter Huchel.
Glauben Sie nicht, dass Kartenpreise von 40 oder 25 Euro nicht eher abschrecken?
Graf: Für 40 Euro kriegen sie eine Schiffsfahrt, ein Essen, Musikbegleitung und eine Lesung mit Gespräch.
Krupok: Alle anderen Veranstaltungen sind wesentlich preiswerter und der Tag beim RBB kostet gar nichts wie auch der Nachmittag in Drewitz und der Büchermarkt am Sonntag. Außerdem gibt es Ermäßigungen.
Sind Sie mit den veranschlagten 100 000 Euro zurechtgekommen?
Graf: Ja, aber anstatt von zweieinhalb prall gefüllten Tagen würden wir gern zehn Tage bespielen, von morgens bis abends, und Schulveranstaltungen einschließen.
Krupok: Potsdam ist groß genug für Veranstaltungen mit viel Publikum und ist klein genug für intime Begegnungen in Cafés, für eine Kultur des Austausches.
Graf: Wir planen im nächsten Jahr eine ganze Woche, in der die Autoren durchweg anwesend sind. Wir wollen sie vielleicht zu Lesungen in die Häuser, in private Wohnzimmer einladen, nach dem Motto „litpotsdam at home“. Oder wenn jemand eine Eisdiele anbietet, dann wird da gelesen. Und für „litpotsdam on tour“ fahren wir in die Umgebung, ins Falladahaus, ins Huchelhaus.
Was ist aus der Idee geworden, in diesem Jahr auch im Waschhaus zu lesen?
Graf: Das Waschhaus steht für nächstes Jahr ganz oben auf der Liste. Dieses Jahr kooperieren wir in der Schiffbauergasse mit dem Hans Otto Theater, wo wir am Sonntag auf den Theater-Terrassen einen Büchermarkt veranstalten. Da erwarten wir 20 literarische Institutionen, Buchhändler und Verlage. Ein Autor hat sogar einen Rätselkrimi zum Mitmachen für uns erfunden, das Projekt spielt an verschiedenen Stationen am Ufer hinter dem Theater.
Ist das die Idee dahinter: nicht nur den Autor auf die Bühne holen, ihn lesen lassen und das Publikum geht anschließend nach Hause, sondern Literatur erleben, etwas damit machen, selbst aktiv werden?
Graf: Genau, wir haben beispielsweise einen Stand einer Buchbinderei, da lernen Kinder, wie man ein Buch herstellt. Und alle Beteiligten, die Autoren, sollen mehrfach auftreten, lesen, Eigenes und Fremdes, moderieren, Querbezüge herstellen, Teilnehmern mehrfach begegnen, damit der Effekt eintritt: Die hab ich doch gestern gesehen, die fand ich gut, da geh ich wieder hin.
Was werden Ihrer Meinung nach die Höhepunkte des Festivals sein?
Graf: Für die Eröffnungsveranstaltung auf der MS Sanssouci und die Lesung mit Herta Müller im Neuen Theater gibt es ein großes Interesse. Von den „Überlebensstrategien“ ist die Lesung der Frauen, mit Eva Manesse, Jenny Erpenbeck und Julia Schoch, merkwürdigerweise viel mehr nachgefragt als die der Männer, Markus Feldenkirchen, Birk Meinhardt, David Wagner.
So viel steht jetzt schon fest, es wird 2014 wieder ein Festival geben?
Graf: Unbedingt.
Was wollen Sie dann bieten?
Graf: Wir hoffen, dass wir mehr Sponsoren überzeugen und gewinnen können und somit mehr Gelder zur Verfügung haben. Dann könnten wir mehr internationale Autoren holen, das Programm auch auf andere Orte ausweiten, aber immer mit Fixpunkt Potsdam. Das ist unser Ausgangspunkt. Momentan sind erst mal wir froh, dass wir so weit gekommen sind. Es gab keine einzige Absage von Autoren, alle haben freudig zugesagt. Und es leben hier in Potsdam und Brandenburg viele Autoren, wir können von einem reichen Potenzial schöpfen. Auch Autoren aus dem Ausland sind am Festival interessiert, das erfahren wir aus Gesprächen. Wir bekommen sogar jetzt schon Anfragen von Verlagen.
Können Sie schon Namen von Schriftstellern für das kommende Jahr nennen?
Graf: Nein.
Aber schon im Herbst wollen Sie dem Kulturausschuss die neuen Pläne vorstellen?
Graf: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, wie beim Fußball.
Krupok: Wenn das Festival erst mal stattgefunden hat, kann man leichter Unterstützer finden. Wir machen in diesem Jahr ja sehr viel selbst, die Vereinsmitglieder holen beispielsweise die Autoren zu Hause oder vom Hotel ab und bringen sie zum Festival. Es gab sogar lebhafte Diskussionen, wer zu Herta Müller fahren darf. Wir stellen auch die Floßführer, das Floß von Harald Martenstein war zum Beispiel besonders begehrt.
Gibt es die begehrten Floßfahrten, die zum Teil bereits ausverkauft sind, nächstes Jahr wieder?
Krupok: Alles, was typisch Potsdam ist, soll mit Literatur in Verbindung gebracht werden, Wassertaxis, Fahrradfahren, Picknick-Lesungen, wir haben noch viele Ideen.Das Gespräch führte Steffi Pyanoe
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