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Kultur: Das Feuer glimmt noch Symphoniekonzert im Nikolaisaal

Es war ein ungewöhnlicher Beginn für ein Symphoniekonzert, aber angebracht, denn es fällt schwer, nach den grauenhaften Massakern in Paris zur Tagesordnung überzugehen. Auf Wunsch der Kammerakademie Potsdam und ihres Chefdirigenten Antonello Manacorda gedachte das Publikum im vollbesetzten Nikolaisaal der unschuldigen Opfer der Attentate.

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Es war ein ungewöhnlicher Beginn für ein Symphoniekonzert, aber angebracht, denn es fällt schwer, nach den grauenhaften Massakern in Paris zur Tagesordnung überzugehen. Auf Wunsch der Kammerakademie Potsdam und ihres Chefdirigenten Antonello Manacorda gedachte das Publikum im vollbesetzten Nikolaisaal der unschuldigen Opfer der Attentate. Scheinbar weit entfernt vom Alltag liegt das Märchenreich, von dem Felix Mendelssohn Bartholdys Melusinen-Ouvertüre erzählt. Mit anmutigen, welligen Tonfiguren eröffnen die Holzbläser, gefolgt von Trompetenschall, Paukenwirbel und markanten Strichen der vereinten Streicher. Wie ein einsamer Klageruf erhebt sich die Oboe (Jan Böttcher) über dem bewegten Aufruhr, bevor das pittoreske Stück leise plätschernd endet.

Der in Australien aufgewachsene Südafrikaner Kristian Bezuidenhout ist derzeit Artist in Residence der Kammerakademie. Als Spezialist für das Spiel auf dem frühen Pianoforte hat er weithin Furore gemacht. Für seinen ersten Auftritt mit der Kammerakademie in dieser Saison wählte er Mozarts Klavierkonzert Nr. 17, ein berückendes Werk, dessen Qualitäten jedoch nicht sehr gut zur Geltung kamen. Da konnte auch der eigens herbeigeschaffte, nach einem Piano von 1825 gebaute Hammerflügel nicht helfen. Abgesehen von den Natur-Hörnern und Trompeten spielt die Kammerakademie auf klassischen Konzertinstrumenten. Mehr als einmal übertönen ihre breitwandigen Klänge das filigrane Spiel des Solisten, der übrigens nicht auswendig spielt. Erst in den Kadenzen bringt Kristian Bezuidenhout den silbrigen Klang seines Instruments voll zum Leuchten. Unbestrittener Anführer ist jedoch die Kammerakademie, während der Solist beflissen folgt. Das tut besonders dem Andante nicht gut. Um die wuchtigen Einsätze und intensiven Steigerungen der Streicher und Bläser webt der Solist zierliche Girlanden, eine Art von dekorativem Trauerflor. So wirkt der versponnene Satz gewollt expressiv und pathetisch, wo zurückhaltende Verinnerlichung passender gewesen wäre. Wie so oft unter der zupackenden Leitung von Antonello Manacorda gelingt der lebhafte Finalsatz am besten, hier kann das Orchester so richtig auftrumpfen, besonders bei der wilden Hatz ganz zuletzt. Auf den begeisterten Beifall spielt Kristian Bezuidenhout den zweiten Satz aus Mozarts später C-Dur-Suite, welcher durch eine Händel und Bach imitierende Machart auffällt und dem Pianisten hörbar gut liegt.

Nach der Pause erklingt mit Nature Morte von Wolfgang Rihm endlich einmal ein zeitgenössisches Werk im Rahmen eines Symphoniekonzerts. 13 Streicher entfachen subtile und zugleich gewaltige Tonbilder mit wüsten Pizzicati, entfesselten Tremoli, hämmerndem Col-legno-Spiel. Das Holz glüht, ein böse brummender Bienenschwarm ballt sich zusammen, bevor gen Ende nur noch drei einzelne Streicher, die Stimmführer, leise wimmernde Töne hervorbringen. Noch glimmt das Feuer. Mit Mendelssohns Italienischer Sinfonie erfüllt das Konzert sein Motto. Obwohl es vom Komponisten nicht zum Druck freigegeben wurde, ist dieses Werk ein sprichwörtlicher Ohrwurm geworden. Blühende Melodien, wie sie Mendelssohn wohl als letzter Symphoniker erschaffen hat, verbinden sich mit rotierender Rhythmik und klangvollen Harmonien – ein glückhaftes Werk. Wie ein Perpetuum mobile wirkt der idyllische dritte Satz im pastoralen Ambiente, aus dem Flöten und Klarinetten (Bettina Lange, Markus Krusche) hervorragen. Großer Applaus für ein gelungenes Konzert, das die Zuhörer letztlich doch mit der Magie der Musik einhüllen konnte. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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