Kultur: Das ganze Leben könnte man mit Bach zubringen
Der Londoner Harry Christophers dirigiert heute im Nikolaisaal die Johannes-Passion
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Der Londoner Harry Christophers dirigiert heute im Nikolaisaal die Johannes-Passion Das Balthasar-Neumann-Ensemble und der gleichnamige Chor gehören fraglos zu den Spitzenformationen in der Alten Musik-Szene. Dirigent Thomas Hengelbrock hat einen bedeutenden Anteil an deren großartiger musikalischer und gestalterischer Qualität. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Chor und Orchester vom Nikolaisaal in der Reihe „Stars international“ eingeladen wurden. Heute, 20 Uhr, werden die Sängerinnen und Sänger sowie die Instrumentalisten in Potsdams Konzerthaus mit Johann Sebastian Bachs Vertonung der Johannes-Passion auftreten. Leider musste Thomas Hengelbrock Proben und Konzerte wegen Krankheit absagen (von Potsdam aus reisen die Ensembles nach Brüssel, Baden Baden und München). Kurzfristig konnte für die Aufführungen der Johannes-Passion der Londoner Dirigent Harry Christophers gewonnen werden. Er ist ebenfalls ein anerkannter Spezialist für die Alte-Musik-Interpretation. In England leitet er das Ensemble „The Sixteen“ sowie das Orchester The Symphony of Harmony and Invention, mit denen er bei mehreren Festivals gastiert. Harry Christophers, der am vergangenen Freitag erfuhr, dass er die Konzerte mit der Johannes-Passion übernehmen solle, hat dafür verschiedene andere Konzerte und Workshops abgesagt oder verschoben. „Denn diese Passionsvertonung Bachs ist mein ganz persönlicher Favorit innerhalb der Oratorienliteratur“, sagte der Dirigent gegenüber den PNN. „Die Johannes-Passion ist für mich kompakter, aufregender, emotionaler und dramatischer als die Matthäus-Passion, bei der es viel schwerer ist, die Spannung zu halten. Wenn sie nicht gut musiziert und gesungen wird, kann man schnell den Faden verlieren.“ In Großbritannien haben die Aufführungen der Bach“schen Passionen nicht die gleiche Tradition wie in Deutschland. Dafür wird oft Händels „Der Messis“ musiziert – eine Art Nationalheiligtum der Briten. „Nur am Karfreitag führen die großen Chöre und Orchester eine Passion auf. Es ist eine Frage der hohen Finanzen, dass die meisten Veranstalter vor Oratorienaufführungen zurückschrecken.“ Auch deshalb war Harry Christophers dankbar, dass er jetzt die Johannes-Passion mit den Balthasar-Neumann-Ensembles erarbeiten kann. Vor gut zehn Jahren hat er sie auf einer CD aufgenommen. „Man könnte eigentlich sein ganzes Leben mit der Musik Bachs zubringen. Und man würde wohl nie mit ihr fertig werden“, so Chrisophers. Ihn interessieren die verschiedensten Facetten der Interpretation. Beispielsweise die Christus-Partie. „Oftmals lässt man sie von einem allzu reifen Bass singen, dessen Auffassung wie die eines alten Mannes wirkt. Aber Jesus von Nazareth war ein junger Mann, als er hingerichtet wurde. Was er sagt, ist voller Klarheit und Gewissheit.“ Die Partie des Christus singt in Potsdam Mark Rzepka, die des Evangelisten James Taylor, alle andere Solopartien werden von Mitgliedern des Balthasar-Neumann-Chores übernommen. Klaus Büstrin
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