Tatort-Kritik: Das Gesetz der Straße
Der Münchner Tatort vom Ostermontag greift das aktuelle Thema Polizeigewalt auf - schnörkellos und ungeschönt. Leider verzichtet er dabei auf jeden Versuch einer Erklärung, wartet dafür aber mit einem Überraschungsgast auf.
Stand:
Eine Gruppe Polizisten steht grölend und singend unter der Dusche. Sichtbare Blessuren zeugen noch vom eben beendeten Einsatz – dabei ging es auch vonseiten der Beamten ruppig zur Sache, aber so ist das eben bei der schmutzigen Jagd nach Verbrechern. Schön ist das alles nicht: keine witzigen Dialoge, keine niedlichen Ticks der Kommissare – stattdessen Gewalt, im Dienst und zu Hause, dazu frustrierter, verzweifelter Sex und viel nackte, schwabbelige Haut.
Dieser Münchner Tatort will ein aktuelles Thema – Polizeigewalt – aufgreifen, ohne Wertung, ohne Klamauk. Mithilfe der realistischen Bilder und einer unprätentiösen, modernen Kameraführung tastet er sich nah ran an das, was man als Zuschauer als Polizeialltag akzeptieren mag. Auf abstruse Wendungen und unnötige Schnörkel im Drehbuch verzichtet er. Kein Bild, keine Szene ist da überflüssig. Allerdings – und das ist das Manko – bleibt der Plot auch die Erklärung für die Brutalität der Beamten schuldig. Wann fing die an, warum ist sie aus Sicht der Truppe so unvermeidlich?
„Irgendjemand muss die Drecksarbeit doch machen“, sagt Georg Zimmermann (Sascha Alexander Gersak), einer der Polizisten aus der Neuperlacher Einheit, die genug davon hat, dem Elend in Münchens einzigem „Problemkiez“ zuzusehen – und es deshalb bei der Jagd nach Verbrechern mit dem Gesetz selbst nicht so genau nimmt. Eine dürre Erklärung für die Gewaltexzesse, denen dann unter der Gemeinschaftsdusche noch mal nachempfunden wird. Das stärkt den Zusammenhalt – bis der durch den Selbstmord eines Kollegen erschüttert wird.
Erst dann kommt das Ermittlerduo Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) ins Spiel – die Verbindung zwischen den Streifenpolizisten und den beiden Herren von der Mordkommission stellt Regisseur Thomas Stiller elegant über einen alten Bekannten her: Carlo Menzinger (Michael Fitz), der früher zum Team Batic und Leitmayr gehörte, vor fünf Jahren jedoch ausstieg, kehrt für einen Kurzbesuch aus Thailand zurück. Unrasiert und im zerknitterten, weißen Leinenanzug steht er schnell zwischen den Fronten.
Sein alter Freund Matteo Lechner (Emilio De Marchi) leitet die schlagende Einheit, seine früheren Kollegen ermitteln gegen Lechner. Die Zerrissenheit des kurzzeitig aus dem Paradies Gefallenen schafft das nötige Maß an Komplexität, ohne die sich gute Cops und böse Cops hier gegenüberstünden.
Statt Superhelden-Beamte à la Til Schweiger gibt es hier bierbäuchige Bullen, die ihren Job mal sehr ernst genommen haben – und dabei auf Abwege geraten sind. Nun ist es im „Tatort“ ja nichts Neues, dass Polizisten nicht strikt am Gesetz entlang ermitteln. Hier aber hat das tatsächlich mal Konsequenzen und wird nicht als den Zweck heiligendes Mittel abgetan. Die Einsicht kommt dabei nicht von außen, in Form von Disziplinarverfahren etwa. Die Gewalt der Gruppe richtet sich wie selbstverständlich irgendwann gegen sich selbst, sie macht etwas mit der Psyche der Polizisten.
„Ich bin das Gesetz“, sagt Lechner, als Batic und Leitmayr ihn ins Verhör nehmen – und man nimmt ihm diesen Satz trotz argen Pathos ab. „Polizisten schießen wenn sie wissen dass sie müssen und aus Maschinengegenwehr“ – der NDW-Klassiker vom 1981er-Extrabreit Album „Welch ein Land! – Was für Männer!“ karikiert als Soundtrack Lechners Pathos – ein bisschen aber auch die Gewissheit, mit der Batic und Leitmayr auf der richtigen Seite stehen.
Spannend ist dieser Ostermontagskrimi nicht wegen seiner Morde - der Fall ist am Ende eher Nebensache -, interessant ist er wegen seiner Sozialkritik, seinem Blick in das System Polizei.
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