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WENN WORTE ZU KLÄNGEN WERDEN: Das innere Bild stärken Die 2. Tage der Neuen Musik für Kinder

Am 19. Februar beginnen im Hans Otto Theater die 2. Tage der Neuen Musik für Kinder

Stand:

Die Enten schaukeln träge auf den Wellen. Auch das herannahende Schiff bringt sie nicht aus der Ruhe. Nur die dunklen Gewitterwolken geben dem friedlichen Bild einen dramatischen Akkord. Der Blick aus dem Glasfoyer des Theaters hinaus auf den Tiefen See lässt freier atmen. Er öffnet die Sinne. Und genau so begannen für den Schauspieler Moritz Führmann und die Regisseurin Andrea Conrad die Proben für das Stück „Der Erfinder – Vier Variationen zu Leonardo da Vinci“, mit dem am 19. Februar die 2. Potsdamer Tage der Neuen Musik für Kinder eröffnet werden.

Ablegen. Ankommen. Bei sich sein. Den akustischen Umweltmüll über Bord werfen und die eigene Stimme wahrnehmen. Dazu soll das kleine Festival die Zuschauer animieren. Wenn die Kinder zur Uraufführung des „Erfinders“ kommen, werden sie Theater pur – ohne verstellende, künstliche Kulissen erleben. Der Blick auf die Natur verbündet sich mit Musik, Tanz und Wort.

Leonardo da Vincis Spätwerk „Codex Leicester“ über den Körper der Erde und den Wasserkreislauf animierte die Festivalorganisatorin Andrea Conrad zu der Kinderoper, für den sie den Text und Gisbert Näther die Musik schrieb. „Die Natur beginnt mit der Ursache und endet mit der Erfahrung ... also mit der Erfahrung beginnen und von dieser her den Grund untersuchen“, sagte da Vinci. „Man kann es auch ganz schlicht mit der Frage ,Warum?“ ausdrücken – der Kardinalfrage der Kinder.“ Und dazu liefere Leonardo da Vinci viele Antworten, die die Welt besser verstehen lernen, „auch wenn er bei seinen Untersuchungen wie Kinder, wenn sie spielen, von einem Thema zum anderen springt. Doch letztlich gehört alles zusammen“, philosophiert Andrea Conrad. Wie das Wassergeflecht der Erde, das sich nun ein stückweit vor den Kindern ausbreitet: musikalisch-poetisch und zugleich mit Blick auf die Havel. Der Zufall der Natur paart sich mit der Kunst – in all“ ihren Facetten. Denn auch die junge Tänzerin Amelie Conrad, die Tochter der Regisseurin, wird mit anmutigen Bewegungen den da Vinci-Text „ausmalen“ und dem sprachgewaltigen und Horn blasenden Erfinder, alias Moritz Führmann, zur Seite stehen. Wie auch eine elfköpfige Kammervereinigung des brandenburgischen Landespolizeiorchesters. Überhaupt geht es der Regisseurin ums Zusammenführen, „gerade angesichts fehlender Musiklehrer und fehlenden Geldes für künstlerische Projekte im Land Brandenburg. Dabei kann man die kreativen Prozesse des Kindes auch mit einfachen Mitteln fördern.“ So wie es die Klangimprovisation „Die vier Elemente“ mit Kindern der evangelischen Grundschule Potsdam zeigen soll, die am 21. Februar Premiere hat. 21 Musiker und ein Erzähler tauchen dabei ein in Feuer, Erde, Wasser, Luft. Eine Installation des musikalischen Leiters Frank Fidler entzündet die Gedanken und die Kindern musizieren ihre Geschichte dazu: das Theaterfoyer als faustisches Labor.

Diese 2. Tage der Neuen Musik für Kinder sollen zugleich eine Initialzündung sein, weitere Projekte in Stadt und Land anzuschieben. „Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr wunderbare Dinge zeigen können. Das Theater schrieb alle Schulen an, bis Mai Konzepte mit musiktheatralischen Ideen einzureichen. Das Thema ist frei. Wir wollen nur anregen, bieten bei Bedarf aber auch unsere Mithilfe an.“

Mit wir meint Andrea Conrad ein sich immer weiter verzweigendes Netzwerk: ihre eigene Vereinigung für genreverbindende Kunstprojekte, den Tonkünstlerverband Brandenburg, das HOT, das Polizeiorchester, das T-Werk ... Und vielleicht späterhin auch die gerade zu Ende gegangenen „Intersonanzen“, die sich ebenfalls der neuen Musik verschrieben haben.

Auch die IHK sitzt mit im Boot: Dort wird im großen Saal das Abschlusskonzert mit Schülern und Lehrern der privaten Potsdamer Musikschule Berthau & Morgenstern, die immerhin 1500 Schüler unterrichtet, stattfinden. „Die IHK sieht die Tage der Neuen Musik als Pilotprojekt Potsdams bei der Bewerbung als Stadt der Wissenschaft“, sagte Andrea Conrad.

Für sie sei es schwer verständlich, dass es kaum noch Musiktheater für Kinder gebe, auch in Potsdam nicht. „Ich selbst komme aus Neustrelitz und bin mit einem Abo am Friedrich-Wolf-Theater groß geworden.“ Viele Jahre assistierte sie an Opernhäusern bei Uraufführungen, bei Ruth Berghaus oder Achim Freyer. Neue Musik sei ihr Lebensnerv. „Man muss sich nur dafür öffnen, so wie Kinder es noch tun. In einer Zeit der Schnelllebigkeit bleibt ihnen indes kaum Zeit, ihr inneres Bild zu entwickeln. Aber gerade ein starkes inneres Bild ist wichtig, um die eigene Balance zu halten“ – wie sie auch durch Musik befördert werden kann.

„Schwarz & Weiß“, eine Komposition des Zufalls und der Zeit von John Cage, setzt sich genau mit diesem Problem auseinander. Seine komponierte Stille, die von Schülern und Jugendensembles im T-Werk und im Kunstraum aufgeführt wird, stellt der zunehmenden Hast die Kraft der Ruhe entgegen.

Manchmal versöhnt aber auch schon ein Blick auf schwimmende Enten.

19. Februar

Premiere (UA), 10 Uhr

Der Erfinder –

Vier Variationen zu

Leonardo da Vinci

Wiederholung am 20. 2. und 21. 2., jeweils 10 Uhr, ab 6 Jahre, Foyer des HOT

21. Februar

Premiere

„Die vier Elemente“

Klangimprovisation mit

Kindern der evangelischen Grundschule

ab 6 Jahre, Foyer HOT

Karten: 98118

22. Februar

„Schwarz & Weiß“

Komposition des

Zufalls und der Zeit

von John Cage

mit Jugendensembles

T-Werk & Kunstraum, 19.30 Uhr, Karten 719139

24. Februar

Präsentation der

Potsdamer Musikschule Berthau und Morgenstern

Schüler und Lehrer

musizieren u.a. Uraufführung der Komposition von Peter Köszeghy:

„Eine verrückte Karawane" für Kinderensemble.

Großer Saal der IHK

15 Uhr

Karten Tel. 626 00 20

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