POTSDAMER AUSSTELLUNG: „Das ist nicht wiederholbar“
Am kommenden Samstag eröffnet die Ausstellung „Friederisiko“ im Neuen Palais: Ein Gespräch mit Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh.
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Herr Dorgerloh, am Samstag eröffnet im Neuen Palais „Friederisiko“. War eine Ausstellung in diesen Dimensionen schon einmal in den Schlössern in und um Potsdam zu sehen?
Nein, eine Ausstellung in dieser Größenordnung gab es noch nicht. In Schlössern kann man zwei Arten von Ausstellungen machen: Entweder hat das Schloss „neutrale“ Räume, in denen man thematische Ausstellungen macht, oder das Schloss ist selbst thematisch Teil der Ausstellung, wie jetzt das Neue Palais.
Das Jubiläum zum 300. Geburtstag von Friedrich II. ist ein willkommener Anlass für eine solche Ausstellung. Wenn man sich aber anschaut, was im Neuen Palais um „Friederisiko“ herum stattfinden soll, kann man da behaupten, dass Sie viel mehr beabsichtigen, als nur den bekannten Preußenkönig zu präsentieren?
Ja, wir nehmen das Jubiläumsjahr zum Anlass, um viele verschiedene Dinge zu tun. Zum einen wollen wir natürlich Friedrich als Person in den Blick nehmen, ohne ideologische Barrieren. Ich denke, das muss man 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges auch tun. Friedrich, wie er im 18. Jahrhundert handeln konnte und wie er gesehen wurde. Zum anderen wollen wir das Neue Palais stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken. Das Neue Palais steht immer ein bisschen im Schatten von Sanssouci.
Weil sich Sanssouci auch leichter als Touristenattraktion vermarkten lässt?
Das hat mit der Geschichte beider Schlösser zu tun. Als Sanssouci im späten 19. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort im Zuge der allgemein einsetzenden Friedrichverehrung wurde, wohnte der Kaiser noch im Neuen Palais. Dadurch war das Neue Palais natürlich nicht zu besichtigen. Es lag abgeschirmt am Ende des Parks und wenn der Kaiser da war, kam da niemand ran. Deswegen konzentrierte sich die Öffentlichkeit sehr früh auf Sanssouci. Das Image des Neuen Palais hat darunter schon nach dem Ende der Monarchie gelitten Und nach 1945 wurde es dann für die Pädagogische Hochschule genutzt. Die hatte dort ihr Biologie-, Physik- und Mathematikinstitut, während die Kunstwerke in die Sowjetunion abtransportiert worden waren. Was von dort 1958 zurückgekommen ist, hatte große Lücken, im Unterschied zu Schloss Sanssouci.
Aber Sanssouci war nun mal das Sommerschloss des Königs, Friedrichs Lieblingsschloss, sein Arkadien.
Aber das Schattendasein hat das Neue Palais nicht verdient. Aus zwei Gründen: Zunächst ist es das gebaute Vermächtnis von Friedrich, was auch der Grund dafür ist, dass wir die Ausstellung dort machen. Und zum anderen ist es eben wirklich ein hoch bedeutender Bau, der Schlusspunkt des europäischen Barocks und der Barockresidenzen und damit auch ein gewisser Höhepunkt. Das ist schon atemberaubend, wenn man das einmal bewusst wahrnimmt.
War Ihnen und Ihren Mitarbeitern schon bei den ersten Planungen für „Friederisiko“ bewusst, welche Dimensionen diese Ausstellung annehmen wird?
Im Grunde genommen haben wir mit den ersten Planungen schon 2002 begonnen, mit meinem Amtsbeginn. Damals haben wir ein Programm für die nächsten Jahre beschlossen. Gerade 300 Jahre Friedrich war da ein ganz zentrales Thema. Was und wie wir das machen, das hat sich aber erst im Laufe der letzten fünf Jahre ganz intensiv verdichtet. Dass es möglich sein könnte, das Neue Palais in beiden Hauptetagen komplett zu öffnen, war erst klar, nachdem der Masterplan auch bewilligt war und wir wussten, dass wir die nötigen Mittel bekommen, um die Baumaßnahmen durchzuführen. Seit 2008 war klar: Wir wollen das Neue Palais komplett bespielen, soweit es irgendwie möglich ist.
Was für ein Aufwand, sowohl zeitlich als auch personell, steckt hinter solch einem Großvorhaben?
Das ist ein Projekt, das die ganze Stiftung betrifft. Die einen sind voll auf Friedrich konzentriert und die anderen müssen deren Arbeit mitmachen. Wir haben auch einige zusätzliche Kollegen einstellen können. Daneben haben wir viele externe Partner gewonnen, Teams, die für die Hängung der Bilder verantwortlich sind, Beleuchter, Kunsttransporteure und so weiter. Wir werden in diesem Jahr auch sehr viel mehr Personal im Neuen Palais einsetzen. Das lässt sich ganz schlecht in Zahlen fassen. Aber es ist ein finanzieller, logistischer und organisatorischer Kraftakt, den selbst unsere Stiftung nur alle paar Jahre stemmen kann. Wir brauchen 2013 dann erst einmal ein Erholungsjahr.
Es ist ja immer gern von Nachhaltigkeit die Rede. Was wird bleiben, wenn die Ausstellung Ende Oktober wieder schließt?
Vieles. Es ist uns gelungen, viele Spendenprojekte zu initiieren, mit verschiedenen öffentlichen und privaten Stiftungen und ganz vielen privaten Spendern. Diese Unterstützung hätten wir ohne das Jubiläumsjahr so nicht bekommen. Das kommt alles der Restaurierung des Schlosses und seiner vielen Kunstwerke zugute. Wir werden im nächsten Jahr das neue Besucherzentrum am Neuen Palais eröffnen. Dann haben wir auch eine Besucherbetreuung auf einem Niveau, das dieses Haus verdient. Jetzt, bei „Friederisiko“, machen wir das noch etwas provisorisch, weil selbst das Besucherzentrum, das wir derzeit bauen, nicht für einen solchen Besucheransturm ausgelegt sein wird.
Für „Friederisiko“ haben Sie im Neuen Palais Räume zugänglich gemacht, die vorher nicht für Besucher geöffnet waren. Was bleibt davon im kommenden Jahr?
Wir werden auch im nächsten Jahr mehr Räume zeigen als vor 2012. Auch wenn bestimmte Bereiche wieder geschlossen werden müssen, da wir im Dach- und Sockelbereich noch weitere Sanierungsarbeiten durchführen müssen. Im nächsten Jahr wird auch die Kolonnade an den Communs fertig sein. Wir haben das Heckentheater am Neuen Palais rekonstruiert, das große Parterre auf der Gartenseite saniert, die Wege erneuert, die Fassade des Antikentempels wird restauriert. Wir haben das erste Mal eine gute Gastronomie am Südtor. Schon wenn man um das Haus herumgeht, sind die Veränderungen deutlich spürbar. Das ist ein Quantensprung für das Neue Palais.
Gab es Vorbilder für die Ausstellung „Friederisiko“?
Es hat immer wieder Ausstellungen zu Herrscherpersönlichkeiten in ihren Schlössern gegeben. Wie zum Beispiel im vergangenen Jahr zu Ludwig II. in Herrenchiemsee, wobei dort die Ausstellung in den Räumen stattfand, die nicht fertig gebaut worden waren. Und auch die englischen Kollegen haben etwas zu Heinrich VIII. in Hampton Court gemacht. Das hat es immer mal wieder gegeben, aber nicht in dieser Dimension. 6000 Quadratmeter sind schon wirklich groß. Das ist im Grunde zweimal der komplette Gropius-Bau. Außerdem ist das Neue Palais ein solch einzigartiges Dokument von Friedrichs Persönlichkeit, das findet man so häufig nicht.
Sie haben auf der einen Seite mit dem Neuen Palais ein imposantes Bauwerk und auf der anderen Seite diese Masse an Exponaten auf 6000 Quadratmetern. Ist das Ihrer Meinung nach nur mit einer Herrscherpersönlichkeit wie Friedrich II. möglich, der auch heute noch eine solch erstaunliche Präsenz hat?
Ja. Ich denke, deshalb ist das auch nicht wiederholbar. Man kann das ganz einfach nicht kopieren. Jedenfalls nicht in unserem Bereich. Das geht nur mit Friedrich. Das kann man vielleicht mit Ludwig XIV. in Versailles machen oder mit Maria Theresia in Schönbrunn. Aber man bewegt sich auf der Ebene der Superstars des 18. Jahrhunderts. Das kann man mit anderen Herrschern vor- oder nachher nicht machen, auch wenn die gleichwohl bedeutend gewesen sein mögen. Da muss man andere Formate finden.
Was haben Sie neu oder anders gemacht bei dieser Ausstellung? Sie sprechen mit „Friederisiko“ nicht nur den historisch Interessierten an.
Wir versuchen, die Breite unseres Schlössernacht-Publikums zu erreichen. Wir wollen nicht nur den Kulturtouristen. Wir wollen auch die Leute animieren, die meinen, einen Ort zu kennen, ihn noch einmal in einem neuen Licht zu sehen. Das ist eigentlich das Erfolgsgeheimnis der Schlössernacht. Das versuchen wir jetzt auch mit Friedrich und dem Neuen Palais. Wobei wir hoffen, dass auch die Leute aus der Region, die das Neue Palais vielleicht schon kennen, dadurch angezogen werden, dass wichtige Räume zum ersten Mal zu sehen sind. Wir hoffen, dass Geschichtsinteressierte es spannend finden zu sehen, wie wir diese nationale Ikone Friedrich präsentieren, gerade auch im europäischen Kontext. Ansonsten haben wir Lunchkonzerte, das Pferdeballett, einen sehr guten Kinder-Audioguide und wir wollen das Haus so aufmachen, dass der Besucher sich frei bewegen kann, sich frei entscheiden muss.
Der Ausstellungsbesuch als eine Art Entdeckungsreise?
Ja, und das ist vielleicht auch etwas Neues. Es gibt keinen geführten Zwangsrundgang. Es ist ein Haus, das ich selber erobern muss. Vielleicht vergleichbar mit der Documenta oder dem Zoo. Ich bekomme am Anfang einen Plan und dann muss ich mir überlegen, ob ich eher zu diesem oder jenem Künstler möchte, zu den Eisbären oder zu den Affen. Das heißt, ich muss mir meinen eigenen Weg zusammenstellen. Ich kann nicht alles mit einem Mal erfahren und erleben. Wenn man dann auch noch in den Park möchte, ist man einen guten Tag beschäftigt. Das kommt auch tatsächlich bei Leuten gut an, die sagen: Ich bin ein mündiger Bürger und kann selbst entscheiden. Ich finde das Angebot interessant, deswegen komme ich und gucke mal. Ich bin auch ganz froh, dass sich dieses Kunstwort „Friederisiko“ so verselbstständigt hat. Das macht offensichtlich Lust auf die Ausstellung und zeigt, dass es hier nicht um eine Verherrlichung oder Verdammung Friedrichs geht, sondern um ein aufklärerisches Hinterfragen der Person.
Wie lange haben Sie an diesem Slogan gearbeitet?
Wie alle guten Ideen hat sie ein Weilchen gegärt und dann war „Friederisiko“ mit einem Mal da.
Wo wir gerade bei guten Ideen sind: Wenn man in Ihren Museumsshop schaut, findet man dort das Produkt: Hundenapf Friedrich der Große, Made in Germany von Weimar Porzellan, handdekoriert mit Echtgoldverzierung, mit Eingriff zum besseren Anheben des Hundenapfes. Gibt es dafür ein Publikum oder ist das eher mit einem kleinen Augenzwinkern zu sehen?
Die Leute aus unserem Museumsshop haben einen ausgesprochen guten Riecher, sonst könnten die auch nicht die größten Förderer unserer Ausstellung sein. Denn die Erlöse der letzten Jahre kommen der Ausstellung zugute. Und es gibt auf jeden Fall ein Klientel für solche Produkte. Aber auch das Augenzwinkern ist ganz gut. Wir wollen hier keinen Stresstest oder Bildungstest für die Besucher machen. Die Leute sollen sich einfach wohlfühlen. Das beinhaltet auch Augenschmaus und Hintersinn. Es wird auch durchaus etwas Vergnügliches sein, dort einfach nur hindurchzuspazieren. Das ist eine ziemlich vergnügliche Inszenierung und manches ist einfach witzig. Der Witz des 18. Jahrhunderts. Wir wollen daraus keinen Geschichtstag machen, sondern ein Erlebnis an einem historischen Ort offerieren, was einem einen anderen Zugang zu Friedrich und dem 18. Jahrhundert ermöglicht. Das ist eine Einladung und nach der ersten Resonanz sind wir zuversichtlich, dass diese auch angenommen wird.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Hartmut Dorgerloh, geb. 1962 in Berlin, studierte Kunstgeschichte und Archäologie. Seit 2002 ist er Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
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