Von Heidi Jäger: Das Lachen macht lachend
Deutschlandpremiere von Jos Houbens „The Art of Laughter“ in der fabrik
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Es ist Montag morgen, der Himmel grau, die Stimmung im Keller. Doch Jos Houben kennt kein Pardon. Wer ihm in die Quere kommt, muss lachen. Mit seiner Energie und dem naiv-staunenden Stan-Laurel-Blick reißt er sein Gegenüber aus der Lethargie. Er ist kein Possenreißer und auch kein Comedian. Der Humor des Meisters der Komödie und des Körpertheaters wurzelt in einem genauen Studium seiner Mitmenschen und ihren Reaktionen. Während der Dozent der Pariser Theaterschule „Jacques Lecoq“ eine ernsthafte Rede hält, landet ihm beim Brötchen schmieren in der Küche der fabrik ein Klecks Butter auf der Nase. „Meine Frau würde jetzt ein Taschentuch nehmen, ihn wegwischen, ohne auch nur zu lächeln. In der Öffentlichkeit würden indes alle nur auf die Nase starren, ohne noch zuzuhören – bis einer anfängt zu lachen, und die anderen einfallen.“
Überhaupt, so der Schauspieler und Regisseur, der bereits mit Peter Brook und Georges Aperghis arbeitete, lieben es Menschen, über andere zu lachen. Zum Beispiel, wenn jemand fällt. „Stürzt ein Pferd, lacht niemand. Auch nicht bei einem Penner. Denn der ist schon unten.“ Lachen habe immer auch etwas mit Würde zu tun. Und mit Erfahrungen. „Was macht ein Kind, wenn es fällt? Es schaut zuerst zur Mama, bevor es sich entschließt, zu weinen oder zu lachen.“ Für den Belgier, der in Paris studierte, in England arbeitete und wieder nach Paris zurückkehrte, ist Lachen eine soziale Angelegenheit. „Es ist selten, dass man jemanden allein im Wald lachen sieht.“
Wenn er morgen das kleine Festival „4 Tage Tanz – Lachen“ in der fabrik eröffnet, braucht Jos Houben weder Kostüme, Musik noch Bühnenbild. Auch keine Figur, in die er schlüpft. In seinem Programm „The Art of Laughter“, ausgezeichnet mit dem Total Theatre Award 2007, gibt es nur ihn. Und seine Tricks, mit denen er bislang sein Publikum noch immer zum Lachen verführt habe: in Tel Aviv ebenso wie in Buenos Aires, in Neapel wie in Utrecht. „Aber vielleicht kommt in Potsdam die große Überraschung.“ Was er wohl nicht ernsthaft glaubt. Denn er kennt den Dominoeffekt, wenn einer den anderen mit seinem Lachen ansteckt: „Man muss nur zur rechten Zeit mit der Tür ins Haus fallen, nicht zu früh und nicht zu spät.“ Es gehe dabei nicht um Comedy, „sondern um Irritation, um das tägliche Scheitern und um Berührung.“ Damit seien die 50 Minuten – schnipp – vorbei. „Es ist wie ein Tanz: Ich nehme mein Publikum an die Hand, spaziere mit ihm los, umarme es, dann drehen wir uns im Kreis und am Schluss sind wir wie Derwische. Es ist Manipulation, man kann nichts dagegen tun.“
Einer seiner Lehrmeister war Johnny Hutch, der große Akrobatkomiker aus den 40er, 50er Jahren. „Er war sehr lustig und dumm, hatte ein ganzes Fass voll mit Tricks.“ Und auch Chaplins „Zirkus“ ließ in ihm die Quellen des Lachens sprudeln. Heute unterrichtet er nun selbst, welche Bedingungen und Mechanismen zum Lachen führen. „Dabei geht es nicht, wie in einer Clownsschule, darum, zu zeigen dass Ich lustig bin, sondern Es.“
Jos Houben studierte zwei Jahre Philosophie, bis er die Bücher zuschlug und hinaus auf die Bühne trat. „Film und Kamera interessierten mich nicht, nur Fernsehen für Kinder.“ Für sie schuf er in England die noch immer laufende Sendung mit Mister Fixitt, einer Mister Bean-Figur. Seine Begeisterung für Kinder springt aus fast jedem seiner Sätze. „Da schauen sich Kinder ein Schwarz-Weiß-Film mit Laurel und Hardy an und sie erzählen dir hinterher, dass Laurel eine rote Mütze trug.“ Lachen habe für ihn nicht nur mit Humor zu tun: es sei ein Ausdruck von Befreiung, von Staunen und Entspannen. „Seit meiner ersten Arbeit habe ich immer versucht, das Lachen in die Vorstellung zu bekommen, denn Tragik und Komik gehen zusammen.“ Er arbeitet international: war mehrfach am Hebbel Theater Berlin und gerade beim „Theater der Welt“-Festival in Halle zu Gast. In Brooks „Fragments“ spielte er in der Originalbesetzung. „Ich habe noch nie eine Arbeit gesucht, sie hat mich immer gefunden.“ So, wie ihn wohl auch das Lachen überall aufspürt.
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