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Kultur: Das Leben – ein Farbenspiel

Nachmittags in der Galerie Samtleben: Warum sich ein Besucher in der Ausstellung von Christa Düll-Bildern an den englischen Landschaftsmaler William Turner erinnert fühlt

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Nachmittags in der Galerie Samtleben: Warum sich ein Besucher in der Ausstellung von Christa Düll-Bildern an den englischen Landschaftsmaler William Turner erinnert fühlt Von Marion Hartig Sieht aus wie von dem englischen Maler William Turner, sagt ein Ausstellungsbesucher. Er steht mit Rucksack in der Galerie Samtleben vor Bild 24: „erwäge“ von Christa Düll. Öl auf quadratischer Leinwand, wie die meisten Arbeiten der Berliner Künstlerin. Mit breitem Pinselstrich aufgetragene Sandfarbe leuchtet dem Betrachter entgegen, von weitem wirkt das Werk fast wie eine einheitliche Fläche, ein leuchtendes Ganzes. Tritt man näher heran, kann man die vielen Nuancen wahrnehmen, die Farbvielfalt, die aus der Grundfarbe als Melange mit Orange, Blau und Grau entstanden sind: Die Berliner Künstlerin übermalt, wenn der Aufstrich noch frisch ist. Die Farben gehen ineinander über, ohne zu verschwimmen. Sie sind irgendwann einfach da, scheinen aus der Hauptfarbe aufzutauchen. Es gibt auch wenige, harte Übergänge von einer Farbe zur nächsten, die scharfen Umzeichnungen und abrupten Abgrenzungen von Farbflecken. Düll und Turner. Auf den ersten Blick mag der Besucher recht haben. Der alles bestimmende eine Farbton, die Bewegung im Bild und die enorme Leuchtkraft der Arbeiten erinnern an Werke von William Turner (1775-1851). Zum Beispiel an sein Bild „Schneesturm: Dampfschiff vor einer Hafenmündung“ (Abbildung) oder „San Giorgio Maggiore“. Aber: Sieht man bei Turner genau hin, erkennt man in seinen Bildern Figuratives: ein Schiff, Wolken, wildes Wasser, eine Insel. Denn: Der Meister der englischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts hat die Welt abgebildet. Und doch: Seine Arbeiten sind alles andere als naturalistisch. Er löst in seinen Werken reale Formen auf, schafft künstliche Lichteffekte – so dass das Dargestellte oft verschwommen, manchmal auch abstrakt scheint. Ganz anders nun die Berliner Künstlerin Düll, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert und in Galerien ihrer Stadt ausstellt. Einige ihrer Bilder sind im Besitz der Berlinischen Galerie. Düll malt intuitiv, aus dem Bauch heraus. Sie gehe von einer Stimmung aus oder von Themen wie Luft, Klima oder Landschaft, erklärt Galeristin Ute Samtleben. Doch im Gegensatz zu Turner ist ihre Grundlage die Assoziation, nicht die Wirklichkeit. Das Ergebnis ist bewegte Farbe, in die man sich gerne versenkt. In der man Farbreichtum, Vielfalt, manchmal auch einen Schatten Gegenständliches findet – der aber auch reine Interpretation sein kann. Dabei hat Düll ihre Karriere mit konkreter Malerei begonnen, berichtet die Galeristin. Sie studierte an der Hochschule für Bildende Künste Berlin bei Ehmsen und Schumacher und war Meisterschülerin von Karl Hofer. Schnell hat Düll Farbe als Ausdrucksträger für sich entdeckt. Bald stieg sie ganz auf Farbe um, ließ die Form außen vor. Die in Potsdam ausgestellten Werke sind in den letzten Jahren entstanden. Wieder fröhlichere Farben, sagt Ute Samtleben. 2002 hatte sie schon einmal Bilder der Berliner Künstlerin in ihrer Galerie gezeigt. Das war kurz nachdem Dülls Mann, der Künstler Horst Heinen, gestorben war. Damals hätten dunklere Farben dominiert. Jetzt habe die Malerin wieder zu helleren, kräftigeren Ausdrucksmitteln zurückgefunden. Und entsprechend leuchtet es rot, gelb, grün, blau und sandfarben von den Galeriewänden. Pinselstriche führen kreuz und quer, eckig oder rundlich über die Bildfläche. Farben schimmern durch, „Kontrastflecken“ (ein gelber Punkt im blauen Bild, ein lichtgelber Schein im roten Bild) ziehen den Blick auf sich. Von einem solchen Fleck aus beginnt Düll ihre Bilder, die sich im Arbeitsprozess immer unvorhersehbar entwickeln. Das Entstehende ist Sprungbrett für den nächsten Strich. Ungewöhnlich farbenreich kommt das Bild „Aufbruch“ daher. Blau, Rot, Rosa, Grün, Dunkelblau. Heftig aufgetragen, ein Gefühlsausbruch. Still und nachdenklich dagegen, rund und weich, in Orange, Grün und Gelb das Werk „unbegrenzt“. Die Schau ist ein ästhetischer Rundgang durch Dülls farbige Gefühlswelten. Wer in der Galerie Samtleben allerdings Landschaftsbilder à la Turner sucht, findet sie nur auf den ersten Blick. bis 6. August, Mi bis Fr 14 bis 19 Uhr, Sa 11 bis 14 Uhr

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