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Kultur: Das Leben danach

Jöns Jönsson beim Potsdamer Filmgespräch

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Auf den ersten Blick scheint Magdalena, eine Frau Ende 50 in Schweden, ein ganz normales Leben in zu führen. Man sieht sie mit dem Hund, einem schönen Collie-Mischling, am See oder mit dem Enkel beim Klavierunterricht. Es sind Bilder der Alltäglichkeit, mit denen „Lamento“, der erste Spielfilm des jungen Schweden Jöns Jönsson beginnt, der am Dienstagabend in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ im Thalia Filmtheater zu sehen war. Erst nach und nach erfährt der Zuschauer – mehr durch Stimmungen, Atmosphäre, Gesten als durch Dialoge –, dass sich Magdalena in diese Alltäglichkeit einhüllt wie in einen dünnen, rissigen Mantel, mit dem sie nach dem Selbstmord ihrer Tochter Sarah ihr Leben zusammenzuhalten versucht.

Jöns Jönssons bereits preisgekrönter Spielfilm – der zugleich sein Abschlussfilm an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ ist – ist ein Versuch über das universale Thema der Trauer nach einem schweren, oft nicht zu verstehenden Verlust. Dass der Regisseur bereits selbst damit konfrontiert war, lag nahe. Im Gespräch mit Moderatorin Jeannette Eggert gab er eher zurückhaltend Auskunft darüber, was genau ihn dazu brachte, unter Trostsuchenden auf Séancen – eine einschlägige Szene findet sich in „Lamento“ wieder – für seine berührende Geschichte zu recherchieren. Bereits in einem frühen Arbeitsstadium stand für ihn aber fest, dass er einen Film über die Zeit nach einem Selbstmord machen wollte: über die verschiedenen Möglichkeiten der Menschen damit umzugehen, und über ihre Konflikte und unterschiedlichen Auffassungen dazu, warum jemand sein Leben selbst beendet hat, was sich im Nachhinein oftmals nicht mehr klären lässt.

Wichtig war es dem in Berlin lebenden Jöns Jönsson, den mit hiesigen Geldern finanzierten Film in Schweden zu drehen. „Wenn ich anfange zu schreiben, lande ich stets bei Leuten, die ich mir sehr schwedisch vorstelle. Für mich sind die Figuren alles Schweden. Wie beispielsweise die Familie, die am Tisch sitzt und darüber redet, wo sie den Besucher aus Deutschland unterbringt. Wie sie das tun, das ist für mich schwedisch. Ich habe es irgendwann bemerkt. Und ich konnte auch nicht zurück, als klar wurde, dass es komplizierter und teurer wird, in Schweden zu drehen“, sagte der Regisseur. Die Rolle der Magdalena konnte Jöns Jönsson mit der bekannten schwedischen Schauspielerin Gunilla Röör besetzen, die nach dem Lesen des Drehbuchs ihre Mitarbeit auch unter den Bedingungen des Studentenfilms gleich zusagte. Es ist zu einem großen Teil ihr sensibles und kraftvolles Spiel, das die innere Spannung der Geschichte in „Lamento“ vorantreibt.

Das Publikum im Thalia schien am Dienstag von einer Erzählweise, die die Beziehungen zwischen den Figuren und in der Vergangenheit liegende Geschehnisse oftmals nur andeutet und sie dem Zuschauer dann zur eigenen Auslegung quasi übergibt, eher verwirrt zu sein. „Ich finde es spannend, eine Geschichte so zu schreiben, dass man nicht weiß, was hat Bedeutung und was nicht. Und es passt auch, wenn der Film sich damit beschäftigt, warum ist dieser Selbstmord passiert, warum hat sie das gemacht“, erklärte Jöns Jönsson seine Absicht. Er provozierte damit die Nachfrage eines Zuschauers, der wissen wollte, wie die anwesenden Frauen den Film empfänden – und hatte so vielleicht schon sein Ziel erreicht. Gabriele Zellmann

„Lamento“, der zu den First-Steps-Preisträgern 2013 zählt und in der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ auf der Berlinale zu sehen war, wird voraussichtlich im Spätsommer in die Kinos kommen

Gabriele Zellmann

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