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Das bunte Herz der Schlössernacht: Die Orangerie wird im Park Sanssouci. 

© dpa

So war der Auftakt der Potsdamer Schlössernacht: „Das Leben genießen, solange wir auf der Welt sind“

11 000 Menschen kamen am ersten Abend zur 23. Potsdamer Schlössernacht. Ihr Motto: „¡Viva!“. Warum sie sich auch bei Regen lohnt - und wo der wahre Zauber schlummert.

Potsdam - Nach einem Jahr Pause und einem weiteren in coronabedingt abgespeckter Form hat sich der Park Sanssouci wieder in Schale geworfen: Die Potsdamer Schlössernacht ging am Freitag (19.8.) in die 23. Runde. Seit 2018 findet das Großevent im Welterbe nicht nur an einem, sondern an zwei Abenden statt. Auf bis zu 18 000 Besucher:innen pro Abend waren die Veranstalter in diesem Jahr eingestellt.

Orangerie in fantastischen Farben

Dass am Auftaktabend mit nur rund 11 000 Menschen nicht ganz so viele kamen, war zu spüren – aber für die Atmosphäre von Vorteil. Am zauberhaftesten war das Großevent da, wo es am wenigsten nach Großevent aussah, jenseits der zur Flanier- und Konsumiermeile transformierten Maulbeerallee. Dort gab es Bier und Bowle, Bratwurst und Crêpes, Pommes und Aperol Spritz, und ab und an trieb ein Trupp feuriger Trommler:innen die Menge auseinander – oder dem Orangerieschloss entgegen.

Die Orangerie ist das letzte und größte im Park errichtete Schlossgebäude. Entstanden zwischen 1851 und 1864 unter Friedrich Wilhelm IV, dem „Romantiker auf dem Thron“, ist sie das in fantastischen Farben getauchte gigantische Herz des Events: 300 Meter lang, schon bei Tag eine beeindruckende Kulisse. Mit Einbruch der Dunkelheit wird sie mittels Videoprojektion zum Bilderdschungel, der seine Wirkung nicht verfehlt. Die Ah- und Oh-Rufe, das bedächtige Innehalten der Besucher:innen beim Erklimmen der Treppenstufen bezeugten es.

Besucher verfolgen bei der Potsdamer Schlössernacht 2022 den Auftritt der Künstler von «Flotados» vor der angestrahlten Orangerie. 
Besucher verfolgen bei der Potsdamer Schlössernacht 2022 den Auftritt der Künstler von «Flotados» vor der angestrahlten Orangerie. 

© dpa

Revolution im Luxusambiente

Im linken Flügel der Orangerie sind die Lesungen beheimatet, einer der Publikumsmagneten des Festivals. Deren Motto: „Leise Töne – Markante Stimmen – Spannende Geschichte(n)“. Schirmherr ist seit einigen Jahren der Moderator Max Moor, selbst eher im Feld der markanten Stimme als der leisen Töne unterwegs, wie seine Lesung zeigte. Gemeinsam mit der Journalistin und Co-Schirmherrin Katty Salié las er aus George Orwells „Farm der Tiere“. In dem luxuriösen Ambiente von dem Versuch einer Revolution „von unten“ (und ihrem Scheitern) zu hören: ein eindrückliches Erlebnis.

Im rechten Flügel lässt sich das historisch verbürgte Luxusgebaren ehemaliger Herrscher dann genauer studieren. „Tafelfreuden – Die Tafel der Könige“ heißt die Ausstellung in der östlichen Pflanzenhalle. Dort hängen Königliche Speisezettel aus der Zeit zwischen 1798 und 1810 aus, und die Fürstenberger Porzellanmanufaktur hat einen Stand aufgebaut. In der Mitte ein prächtig gedeckter Tisch, abgesperrt zwar, aber die kostümierten Herrschaften lassen sich bereitwillig fotografieren. 

„Das Leben genießen, solange wir auf der Welt sind“

„Nichts ist unvernünftiger, als sich den Freuden zu versagen“, wird der junge Friedrich II. von 1737 auf einer Tafel in der Ausstellung zitiert. „Wir müssen vielmehr alle Tore öffnen, durch die sie zu uns gelangen können und das Leben genießen, solange wir auf der Welt sind.“ Der Veranstalter Kultur im Park GmbH hat Friedrichs Satz als Motto über die 23. Schlössernacht geschrieben, in der aufs Grundsätzliche gebrachten Kurzform: „¡Viva!“ 

Man wolle die Lebensfreude feiern, die nach der Pandemie nun wieder möglich sei, hatte Geschäftsführerin Sabine Giese im Vorfeld gesagt. Der Künstlerische Leiter Marcus Mechelhoff zeigte sich in Anspielung auf die pandemiebedingt halbierten Platzkontingente im letzten Jahr erfreut über die dicht besetzten Plätze – und lud das Publikum kurzerhand zum Applaus für sich selber ein. Dem kam man gerne nach. Peter Kurth war gekommen, im Kurzarmhemd mit Palmenmotiv, um aus „Don Qijote“ zu lesen. Hier saßen auch die leisen Töne. Der lustige Ritter von der traurigen Gestalt war in guten Händen.

Peter Kurth bei der Potsdamer Schlössernacht 2022 in der Orangerie des Schlossparks Sanssouci. 
Peter Kurth bei der Potsdamer Schlössernacht 2022 in der Orangerie des Schlossparks Sanssouci. 

© IMAGO/Future Image

Konzertflügel in acht Metern Höhe

Besucher:innen in der Orangerie blieben vom vorübergehenden Regenschauer unberührt, nicht aber die Technik des Artistenduos David Moreno und Cristina Calleja. Deren Stück „Flotados“, aufgebaut vor der Grotte auf der Jubiläumsterrasse unterhalb der Orangerie, haderte zunächst mit Nässe. Der in acht Metern Höhe senkrecht angebrachte Flügel hatte zahlreiche Menschen angelockt. Das Warten wurde belohnt: mit verträumter Livemusik an Klavier und Akkordeon, Laserscheinwerfern, Kunstnebel, Videoprojektion, Akrobatik – und der finalen Aufforderung, das Träumen bitte nie zu vergessen. Laut, bunt, virtuos: circensische Unterhaltung vom Feinsten.

Die schönsten Erlebnisse aber schlummern in dieser Nacht abseits der großen Wege, und sind ohne Wartezeit zu haben. Man muss nur den Musikfetzen, Stimmen und Lichtern folgen, die durch den Park wehen. Sich treiben lassen. Dann wird man vielleicht die Alphörner in der Hauptallee finden oder die Bäume, die mit den Stimmen von Max Moor und Anna Thalbach von Bleiben und Gehen, Krieg und Frieden, Natur und Mensch sprechen. 

Kurz vor Mitternacht könnte man mit einem Dutzend Auserwählter, die der Zufall im Ehrenhof von Schloss Sanssouci zusammengebracht hat, den zauberhaften Latin-Jazz der Band Papa-Capim hören. Und mit der Konsummeile Maulbeerallee wird einen die Virtuosität einer Anna Wierer versöhnen. Sie spielt auf der Querflöte Piazzolla, dass sogar Friedrich II im Grabe die Füße zappeln dürften.

Potsdamer Schlössernacht, noch einmal am 20.8. ab 17 Uhr im Park Sanssouci. Karten für 44 Euro, erm. 34 Euro gibt es hier

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