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Kultur: Das letzte Dinner

Kulturraum Panzerhalle in Groß Glienicke wird geschlossen

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Das Spiel ist aus! Die letzten Messen für die Panzerhalle in der Groß Glienicker Waldsiedlung sind gesungen. Es war eine Feier der besonderen Art: fulminanter Höhepunkt und Abschied zugleich. Abschied von einem künstlerischen Experiment, das vor zwölf Jahren mit der Besetzung der ehemals militärisch genutzten Halle durch eine Gruppe Brandenburger und Berliner Künstler begann und durchaus das Zeug hatte, sich an der Nahtstelle zwischen Potsdam und Berlin zu einer kulturellen Brücke und festen Größe zu etablieren. Nun aber sind die Würfel gefallen. Die Tage der Panzerhalle sind gezählt, der schon seit langem angedrohte Abriss durch die Berliner Wohnbaugesellschaft Gewobag als rechtmäßige Eigentümerin der Liegenschaft und Investorin allem Anschein nach unabwendbar.

Kurz bevor die Räumungsfrist mit Ende diesen Monats ausläuft, haben die Künstler des Atelierhaus Panzerhalle e.V. zu einer letzten Begehung „ihrer“ Halle aufgerufen. Für die in Scharen herbeiströmenden Gäste stand eine panzerhallenlange weiß gedeckte Tafel zum Last Dinner bereit. Nach einer Ausstellung war den Künstlern diesmal nicht zu Mute. Mit den eigens für den Abend in der Halle angepflanzten Kiefern als Inbegriff brandenburgischer Monokultur fanden die Künstler ein stimmiges Bild für das Desaster.

Trotz Ohnmacht, Betroffenheit und Wut feierten die Künstler ihr großes Finale mit einem festlichen Programm dichter Gesten und Bilder. Bilder voller Schönheit und Poesie (Ellen Urban als Luftartistin, die, aufgehängt an weißen Tüchern, Schwindel erregende Hochseilakte unter der hohen Decke vollführte) und voll Drastik (Carsten Hensel bei seiner Performance „Krieg ohne Schlacht“ inkl. „Ausreichung der Würmer“), um nur einige zu nennen. Beeindruckend auch das bewegte Bild von Kulturministerin Johanna Wanka, die, da sie an dem Abend nicht persönlich anwesend sein konnte, ihren Gruß per Großbildprojektion als Videobotschaft in den von ihr stets protegierten Kulturraum Panzerhalle schickte.

Das Bild, das sich vermutlich am nachhaltigsten eingeprägt hat, war das der langen weißen Tafel. Hier fand man sich zusammen wie zu einem „Leichenschmaus“, tauschte Erinnerungen an die zurückliegenden Panzerhallenjahre aus und spann neue Ideen für die Zukunft. Über die lange Tafel hinweg legten die Balletttänzerin Kathryn Pope, der Schauspieler Jesse Garon und Ellen Urban ihre „Human Traces“, servierten die Künstler ihren Gästen schmackhafte Suppen aus der Feldküche, hagelte es im Laufe des Abends abwechselnd Dukaten und Würmer. Im Schein vieler kleiner Lichter gaben an der langen Tafel die „Klang Körper Zellen“ (Ronni Gilla, Sopran und Joachim Gies, Saxophon) ihre Improvisationskünste zum Besten, fand die sichtlich betroffene Doris Maria Langenhoff, Ortsbürgermeisterin von Groß Glienicke, ganz in Schwarz, bei ihrer Ansprache überaus deutliche Worte, erwiesen die Anwesenden diesem sich in allen Klangfarben (Dancehall mit DJ Seven) und Schattierungen überaus facettenreich präsentierenden Ort ihre letzte Ehre. Nun ist die Panzerhalle als Kulturraum Geschichte. Die Künstler, die mit ihren Ateliers in die leer stehenden Räume der ehemaligen Waldschule ausweichen, werden sich nach dem Verlust ihrer Mitte neu aufstellen.

Am Samstag wird die Ateliergemeinschaft bei der 2. Kunst-Genuss-Tour mit einem Comeback zu erleben sein. Und am 26. Oktober geht es mit „Water_please“, eine Ausstellung zum Umgang mit Wasser in eine weitere Runde. Das Spiel ist noch lange nicht aus!Almut Andreae

Almut Andreae

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