Eine Westlerin in den „typischen“ Osten versetzt Die Ostler scheinen sofort wieder drin zu sein. Ein alter Mann linst neugierig in das Innere des gelben Trabi-Anhängers. Vier Frauen debattieren vor dem kleinen Jungpionier, ob seine Jeans wohl eine echte Boxer sei oder – ein falscher Westimport. Die Autorin steht unwissend daneben. Keine Ahnung. Hatten Ostjeans also einen dünneren Stoff? Aha. Zehn „realistische Inszenierungen“ hat das Förderzentrum „Pro Chemnitz GmbH“ in den Potsdamer Bahnhofspassagen aufgebaut, „typische Erscheinungen aus dem Freizeit- und Urlaubsverhalten ehemaliger DDR-Bürger“. Viele Zelte und Campingwagen. Ostler waren anscheinend oft zelten. Oder fuhren mit der Fritz Heckert nach Kuba, wie eine Frau erzählt. Ob sie wohl selbst mal mit dem Urlaubsschiff des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes fahren durfte? Wie man wohl an ein Ticket kam? Man konnte doch schon froh sein, einen Zeltplatz zu finden. 1979 soll es für einen Campingplatz 500 000 Anträge gegeben haben, steht auf einer der Texttafeln. Camping an der Ostsee, Reisen in das „sozialistische Ausland“, Bulgarien, UdSSR, Ungarn, Rumänien. Am liebsten fuhren die DDRler mit dem Trabi zum Balaton. Alles schon mal gehört. Bis ins kleinste Detail wird der DDR-Urlaub rekonstruiert. Bücher, Kissen, Decken und Kleider mit Blumen und Mustern. Wahrscheinlich ein Einheitslook, den jeder Ostler sofort erkennt. Die Autorin nicht. Holzski , Kunstfelljacken, Gaskocher, Campingwagen. Schätzungsweise weniger modern als im Westen. Drei strahlende Mädchen unterm Ährenkranz, damit lockt das Ausstellungsplakat. Ein kurzes Strahlen auch auf Gesichtern von Vorübergehenden, die Requisiten ihrer DDR-Vergangenheit wiederentdecken. Für einen Westler sind die Gegenstände Dokumente einer fernen Welt und dadurch zeithistorisch interessant. So wie alte Fotos. Die Texte ergänzen nüchtern, ohne in Zusammenhang zu stellen. Die Gebote für Jungpioniere sind aufgelistet, die die DDR und die Eltern lieben und immer fleißig sein sollen, oder die unzähligen DDR-Urlaubseinrichtungen. Alles in der Hand des Staates, organisiert, vorgegeben. Auch wenn bei Ex-DDR-lern Nostalgie aufkommen sollte: Wirklich zurückwünschen wird sich die „heitere“ DDR-Urlaubswelt sicher niemand. Nicht wirklich gut, nicht schlecht. Auf mehr als oberflächliche Blicke im Vorübergehen scheint die klischeehafte Schau mit den beliebig aneinander gereihten Inseln nicht angelegt – sonst hätte man wohl auch einen weniger hektischen Ort gewählt. Wenn man die Ausstellung hinter sich hat, ist man wieder einmal froh, dass die DDR vorbei ist. Wenn das der Sinn der Schau ist. Auch gut. Marion Hartig
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