
© Manfred Thomas
Kultur: Das Wasser in seiner Vielfalt
Neumitglieder des Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler in der Produzentengalerie M
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Auf der Treppe grüßt Marcel Duchamp: Sein „Akt, eine Treppe herabsteigend“ hat Jana Debrodt inspiriert. Anders als der französische Maler, der den Fluss der Bewegungen in einer Ölstudie festgehalten hat, setzt sie auf Klang. Weil ein Akt, ein nackter Mensch also, aber wenig Geräusch erzeugt, wenn er eine Treppe hinabsteigt, hat sie das Thema variiert - und lässt einen Regenmantel herabrauschen. Eine Klanginstallation also. „Durch moderne Techniken wie Tonaufzeichnungen, Bewegungsmelder und so fort, ist diese Bewegung viel besser in ihrem zeitlichen Ablauf darstellbar“, sagt Debrodt, die eben noch den Kontaktteppich auf den Stufen der Produzentengalerie M verlegt.
In den Ausstellungsräumen in der Charlottenstraße zeigt der Brandenburgische Verband Bildender Künstler (BVBK) ab dem heutigen Samstag seine „Neumitglieder 2013“. Mit der Schau stellt der Verband die elf Künstler vor, die im vergangenen Jahr Mitglied geworden sind.
Das ist gar nicht so einfach – wer als freischaffender Künstler arbeitet, aber keinen Hochschulabschluss im Bereich bildender Kunst hat, muss ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. 43 Bewerbungen seien eingegangen, zwölf Künstler habe der Verband schließlich aufgenommen, erklärt Daniela Dietsche, die Geschäftsführerin des BVBK. Einer von ihnen wollte nicht an der Ausstellung teilnehmen, für die anderen elf steht jetzt jeweils ein Quadratmeter Wandfläche in der kleinen Galerie zur Verfügung.
Debrodts Treppe, auf der die Besucher das Regenmantel-Rascheln mit ihren Schritten hervorkitzeln, ist natürlich länger – sie führt zu den Räumen im Keller –, aber dafür sehr schmal. Ein kleines Stück Wand hat sie dennoch ergattert – gleich neben dem Eingang. Auch hier kommt es wieder auf den Betrachter an: Erst wenn er nahe genug herantritt, öffnet sich der kleine bunte Kreisel und beginnt sich wild zu drehen. Der Trick: ein Bewegungsmelder.
Auch die anderen Arbeiten spielen mit Bewegung, mit dem Hin und Her von Licht und Schatten, Tristesse und Glück. Das sind etwa die Videostills der Potsdamer Künstlerin Anna Werkmeister. Gefilmt hat sie auf der Seebrücke in Wustrow. Das ist nur unscharf zu erkennen, wenn man es nicht weiß, eigentlich gar nicht. Man ahnt lediglich, dass dort hinten, am Horizont über der Ostsee, gerade die Sonne hervorblitzt. Nach einem schweren Regen offenbar, denn gefiltert wird das Licht von den Tausenden von Wassertropfen, die auf den gläsernen Windschutzwänden kleben.
Den Regen findet man auch auf Eva Möllers großem Ölbild „In alle Richtungen“. Lauter verschiedene Fußpaare laufen da über einen feucht glänzenden Boden, in dem sich die Sonne spiegelt –nach links, nach rechts und direkt auf den Betrachter zu. Kopflos allesamt, spätestens bei der Brust ist Schluss. Trotzdem ziehen sie lässig ihre Rollkoffer oder haben die Hände cool in den Hosentaschen. Alles strahlt die Frische nach einem Regenguss aus – und trotzdem liegt eine gewisse Anspannung in dem Bild, vielleicht weil die hellen Apricot- und Blautöne aus der unteren Bildhälfte sich nach oben hin zu einem schweren Graugrün verfärben.
Direkt daneben hängen die Fotos von Barbara Schnabel. Alles verschwimmt bei ihr im Rausch der Geschwindigkeit, der Wald am Straßenrand, die Autos auf einem römischen Boulevard - als würde man mit dem Auto daran vorbeirasen. Dann gibt es noch „Blue Night II“, das Bild hängt in der Mitte. Auch hier ist das Glück verschlüsselt: Durch ein Lochmuster, eine Art grobmaschiger Stoff, lässt sich eine Berliner Straße erkennen. Im gleißenden Sonnenlicht liegt sie da, von blauer Nacht keine Spur. Stattdessen erkennt man die Ecke eines gelben Gründerzeithauses, die grünen Fensterläden schimmern im Licht.
Das Thema Wasser findet sich dann – nach dem kleinen Spaziergang im Regenmantel-Sound – auch im Keller der Galerie noch einmal. Dort hat die Keramik-Künstlerin Carolin Wachter das Licht in einer Art ewigen Pfütze eingefangen. Hauchdünn hat sie ihr Material zu einem großen und einem kleinen Flecken gegossen – und dann mit Platin glasiert. Jetzt glänzen die Flecken feucht und silbrig in einer kleinen Nische des Raumes.
Wasser findet sich auch in Ariane Boss’ vor Farben schier überbordenden Bildern: Se entwirft üppige Fantasie-Tropenwelten, in denen es wuchert und sprießt, in denen Zebras träge auf dem Ast eines Baumes schlummern und pinke Kormorane in den Flussläufen stehen.
Und selbst in Maria Sibylla Ponizils feingliedrigen Collagen steckt das Wasser mit drin – wenn auch auf versteckte Art und Weise. Denn ihre leicht ungelenken, aber von fröhlicher Energie strotzdenden Figuren klebt sie aus bunten Schnipseln alter Aquarelle zusammen. Das Ergebnis erinnert ein wenig an Illustrationen aus Kinderbüchern: Auf „Der Mond ist Zeuge“ etwa reichen sich ein Fuchs mit rosa Krone und ein Rabe verbindlich-höflich die Pfoten, der Mond hängt wie eine Dotterblume über ihnen. Das hätte dem Dadaisten Duchamp sicher auch gefallen.
Vernissage am heutigen Samstag, 16 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 20. April, mittwochs bis freitags, 11-17 Uhr, samstags und sonntags, 11-18 Uhr, in der Produzentengalerie M in der Charlottenstraße 122 zu sehen
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