Kultur: Das Wesen der Liebe
Monika Zeiner stellt ihren Debütroman vor
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„Als das Klingeln an seinem Ohr lauter wurde, wie ein erstes Geräusch, das in den Raum des Schlafs eindringt, wusste er nicht, seit wann er schon auf seinem Klavierschemel saß.“ Ein unerwarteter Anruf reißt den frisch geschiedenen Jazz-Pianisten Tom Holler aus seinen Selbstmordgedanken. Betty Morgenthal, seine einstige große Liebe, die mittlerweile in Neapel lebt, schlägt ein Wiedersehen vor, nachdem sie gelesen hat, dass Tom auf eine Konzertreise nach Italien kommt. Für den melancholischen Musiker hat das Leben wieder einen Sinn, wenngleich ihn Bettys Stimme nur in die Vergangenheit zurückholt. Beständig kreist Monika Zeiners Debütroman „Die Ordnung der Sterne über Como“ (Aufbau Verlag, 19,99 Euro), den sie am morgigen Donnerstag in der Stadt- und Landesbibliothek vorstellt, um die Frage nach dem Schicksal, um verpasste Chancen und Augenblicke, in denen das Leben scheinbar die falsche Richtung genommen hat.
Man muss sich einlassen können auf diese oft sehr üppige und poetisch aufgeladene Prosa, sich etwas hineinarbeiten in den ungewöhnlichen, bisweilen fast altmodisch anmutenden und dennoch sehr beweglichen, schwungvollen Sprachstil dieses 600 Seiten langen Romans. Bildhaft und metaphernreich, in oft langen, verschachtelten Sätzen erzählt Monika Zeiner darin eine klassische Dreiecksgeschichte, die sich aus vielen Rückblenden zusammensetzt und geschickt den Bogen zur Erzählgegenwart schlägt. So erinnert sich Tom, während seiner Reise nach Italien, an seine Studentenzeit im Nachwende-Berlin, als er zusammen mit seinem besten Freund, dem Komponisten Marc, und dessen Lebensgefährtin, der Sängerin Betty, in einer WG lebte und die drei Freunde nichts so vereinte wie ihr Glaube an die Kunst und die Liebe zur Musik. Nach seiner Affäre mit einer verheirateten Klavierschülerin fühlte sich Tom jedoch immer stärker zu Betty hingezogen, zumal sie seine Gefühle erwiderte. Obwohl er innerlich dagegen ankämpfte, weil er die Freundschaft mit Marc nicht aufs Spiel setzen wollte, verbrachte Tom schließlich mit Betty beim gemeinsamen Camping eine Nacht am Comer See. Eine Nacht, der sich ein furchtbares Nachspiel anschloss und nach der Tom und Betty, schwer beladen mit Schuldgefühlen, für immer auseinandergingen. Über zehn Jahre später nun ist Tom auf der Suche nach dem Kern jener Ereignisse, die das Ende der damaligen Dreierfreundschaft besiegelten. Kurz vor dem ersehnten Wiedersehen mit Betty fragt er sich, ob nicht im rückblickenden Erkennen die Chance liegen kann, eine Liebe neu zu beginnen oder ob nicht doch der Absturz aus der Harmonie hinein ins Chaos einst unumkehrbar war.
Dass „Die Ordnung der Sterne über Como“ trotz dieses Plots nie ins romanzenhaft Kitschige abgleitet, sondern seine ernsthafte Grundnote und Tiefe beibehält, verdankt sich nicht nur der Sprachgewandtheit und anspruchsvollen Erzählweise der Autorin. In ihrem viel gelobten Erstlingswerk versteht es Monika Zeiner auf reizvolle Weise, eine gut mitlesbare Studie über das Wesen und die Spielarten der Liebe gewissermaßen in die Romanhandlung und ihre sehr authentisch gezeichneten Figuren hineinzuschreiben, sodass dieser Liebesroman zugleich auch ein kluges Buch ist, das viel über Liebe, Freundschaft, Verrat, Glück und Abschied erzählt. Daniel Flügel
Monika Zeiner liest am morgigen Donnerstag um 20 Uhr in der Stadt- und Landesbibliothek, Am Kanal 47. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 4 Euro
Daniel Flügel
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