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Kultur: Das Wesentliche

Wieland Förster in Potsdam / Aktuell sind Flugbilder im Kunst-Kontor zu sehen

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Wieland Förster in Potsdam. Sofort kehren Erinnerungen ans Licht. Sie erzählen von einem der eindrucksvollsten Kunsterlebnisse in dieser Stadt. 1974 fand es oben auf dem Telegrafenweg statt, als der Physiker Rudolf Tschäpe bei seinen Oberen durchsetzte, dass Plastiken des damals schon bedeutenden Bildhauers für ein paar Tage ausgestellt werden können. Das kunstinteressierte Potsdam eilte auf den Berg, um bei diesem Ereignis dabei zu sein. Obwohl Förster in jenem Jahr den Käthe-Kollwitz-Preis erhielt und zum Mitglied der Akademie der Künste der DDR gewählt wurde, hatte die Staatsmacht doch immer ein Auge auf den Künstler, denn sie konnte sich vor seinen kritischen Fragen nicht sicher sein.

Mit Rudolf Tschäpe blieb Förster bis zu dessen Tode eng verbunden. Der Physiker und DDR-Bürgerrechtler hat mit dem Verein Gedenkstätte Lindenstraße 54 dafür geworben, dass eine Plastik des Bildhauers zum Gedenken an die Stasi-Verfolgten ihren Platz auf dem Hof des ehemaligen Gefängnisses aufgestellt werden kann. Auch die Nike, die Sieges- oder Friedensgöttin der Antike, an der Glienicker Brücke ist ein Werk Wieland Försters und kündet davon, dass es eine 1989 eine Revolution gab, die ohne Blutvergießen vonstatten ging.

Nun ist der in Wensickendorf bei Oranienburg lebende Künstler wieder nach Potsdam zurückgekehrt, mit einer Ausstellung. Die Galeristin Friederike Sehmsdorf holte ihn in ihr Kunst-Kontor. Die lichten Ausstellungsräume haben sich, nachdem sie zuvor mit einem eher heiter wirkenden „Preußischen Frühling“ auf Bildern mehrerer Künstler spielten, nunmehr auf strenge Formen eingelassen, auf die 24 Werke Wieland Försters mit Statuen und Flugbildern. Die in Bronze gegossenen Flugbilder entstanden nach einer Tunesien-Reise, die der Künstler 1968 unternahm. Es waren wohl für ihn beeindruckende Erlebnisse und Erfahrungen, die er in dem kleinen nordafrikanischen Land erfuhr. Ein Tagebuch entstand, Gouachen, Zeichnungen und Bronzen. „Hineingerissen in ein Leben des Kontrasts, der gleißenden Sonne und des Schattens, der krassen Offenheit und des Versteckspiels überkommener Regeln, die attackiert werden vom Anpassungswillen an Europa, an Amerika ...; gierigen Auges verschlinge ich die Bilder, ziehe den Geruch der Ambra, des faulenden Fischs, die Dünste verbrennenden Öls und der Schmiedefeuer durch die Nase, um sie nicht zu vergessen“, schrieb er in sein Tunesien-Tagebuch. Und vor allem hat er wohl auch immer die jahrtausendealten Spuren menschlichen Lebens vor Augen. Der Sinnlichkeit von Beobachtungen und Erfassen wird man auf den bronzenen Flugbildern gewahr. Es sind keine Abbildungen des Erlebten. Die Formationen des Gebirges, der Steppen, der Wüste, die Strukturen ehrwürdiger Olivenbäume und uralter Städte erfahren in der Materialsprache der Bronze eigene poetische Bilder. Das Wesen der Natur zu erkunden und in seiner Sicht wiederzugeben – das ist Försters innerstes Anliegen. Und dabei spielt die differenzierte Farbigkeit des bronzenen Tons eine nicht untergeordnete Rolle. Die Flugbilder erhalten dadurch einen weichen Glanz. Figürliche Darstellungen haben im Kontor ebenfalls Platz gefunden. Ob Daphne in großer und mittlerer Interpretation, ob Bathseba oder die „Kleine übermütige Frau“, sie zeigen ebenfalls das Wesentliche von Figuren. Doch Förster weiß dabei das Runde und das Sinnliche des Weiblichen hervorzuheben. Ein wenig einsam muss sich Elfriede Jelinek als einzige Porträtbüste in der Skulpturenschau vorkommen. Die Schriftstellerin ist genau charakterisiert. Ihr streng geschnittenes Gesicht kontrastiert mit den hoch gesteckten Haaren, die der scharf denkenden Dichterin ein etwas sanfteres Bild verleihen.

Bei der Vernissage im Kunst-Kontor hat Wieland Förster mitgeteilt, dass sein bildhauerisches Werk nunmehr abgeschlossen ist. Er hat immer Texte geschrieben, Tagebücher und Essays. Nun sogar einen Briefroman, für den er einen Verlag sucht.

Es ist verdienstvoll, dass Friederike Sehmsdorf mit der Förster-Ausstellung für einen Höhepunkt im Potsdamer Kunstleben gesorgt hat, zwar nicht so spektakulär wie 1974, jedoch als eine gelungene Ehrerweisung an einen großen Künstler.

Bis 6. 9., Di/Mi 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr, Sa 13-18 Uhr, Kunst-Kontor, Bertinistraße 16B

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