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Kultur: Das Wirken rechter Gewalt
Das Hans Otto Theater zeigt am Montag noch einmal das Stück „Mit Tötungsdelikten ist zu rechnen“
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Achtung, da kommt was von rechts. Nicht nur an den deutschen Außengrenzen zu Frankreich, der Schweiz und Polen, sondern auch im Landesinneren sind zunehmend fremdenfeindliche Ressentiments zu spüren. Laut einer Forsa-Umfrage läge die Alternative für Deutschland (AfD) in den ostdeutschen Bundesländern bei 16 Prozent. Flüchtlingsheime werden attackiert, Täter kommen davon.
„Das ist eine gefährliche Situation, das hat sich ja in so kurzer Zeit wieder radikalisiert“, sagt Renate Kreibich-Fischer, Autorin und Psychologin. Gemeinsam mit Lea Rosh, der Vorsitzenden des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ hat sie 2013 das Dokumentarstück „Mit Tötungsdelikten ist zu rechnen“ konzipiert, in dem sechs Menschen von ihren Begegnungen mit dem Rechtsradikalismus berichten. Die Akteure spielen sich selbst und erzählen ganz unmittelbar von ihren eigenen Erfahrungen. Es ist nach „Staats-Sicherheiten“ und „Vom Wiedersehen“ bereits ihre dritte Produktion, die von Regisseur Clemes Bechtel im Hans Otto Theater (HOT) inszeniert wird. Nun wird es am kommenden Montag einmalig wieder in der Reithalle des HOT zu sehen sein.
Die Morde des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) an neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie einer Polizistin gaben vor zwei Jahren den Anlass für das Projekt, das durch die Aussage der Angeklagten Beate Zschäpe nun wieder brandaktuell ist. „Wir waren empört über die NSU-Morde“, so Kreibich-Fischer. „Wie ist das möglich, dass die Politik das verschlafen hat über mehr als zehn Jahre?“ An einer Antwort auf diese Frage versucht sich im Stück die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Eva Högl, die damals als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Morde beitragen sollte. Bis in ihre Träume haben sie die drei Rechtsradikalen der Zwickauer Terrorzelle – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt – verfolgt. Das erzählt sie auf der Bühne des HOT, einem großräumigen Podest, das, je nachdem wie sich die Darsteller darauf bewegen, aus der Balance gebracht wird.
„Wir haben Eva Högl damals bei einer Lesung getroffen“, so Rosh, „die brauchen wir für das Stück, habe ich zu Renate gesagt.“ Högl berichtet über das Versagen der staatlichen Sicherheitsbehörden, die bei den Ermittlungen zu spät eine Verbindung zur rechtsextremen Szene erkannten. Und vom Umgang mit den Familien der Opfer, die diffamiert und in die Täterrolle gedrängt wurden.
Vom Versagen der Behörden spricht in „Mit Tötungsdelikten ist zu rechnen“ auch Kevin Müller, ein Aussteiger aus der rechten Szene. Bei Demonstrationen hielt er Banner mit der Aufschrift „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ hoch, die er und seine Freunde vom Geld des Verfassungsschutzes bezahlten, das zwei Jungs der Truppe für die Herausgabe „banaler Informationen“ – wie Kevin sagt – bekamen. Damals sang er SA-Lieder und schwenkte alte Reichsflaggen, heute erhält er Morddrohungen und wird von seinen ehemaligen Kameraden in der U-Bahn verprügelt. Aber er ist dankbar, für „die Freiheit in seinem Kopf“. Neben ihm auf der Bühne steht Manuela Ritz, die sich als einzige schwarze Deutsche im sächsischen Mügeln die Frage stellen musste: „Bin auch ich das Volk?“ Die auf der Straße einfach so angespuckt wurde und der später, in ihrer Wohnung in Ostberlin, Hakenkreuze an die Haustür geschmiert wurden. Das hat Potenzial zur kritischen Auseinandersetzung. „Allein, dass die da zusammen auf der Bühne stehen. Der Nazi-Aussteiger und das Mädchen, das in ihrer Jugend von genau diesen Leuten malträtiert wurde“, sagt Stefanie Eue, Pressereferentin des HOT.
Mutig sind die Darsteller, aber auch mit Angst ist zu rechnen. Denn durch ihren öffentlichen Aktionismus sind sie den Rechten ein Dorn im Auge. So etwa Irmela Mensah-Schramm, die seit nunmehr 30 Jahren europaweit Städte von fremdenfeindlichen Schmierereien säubert und, mit einem Spachtel bewaffnet, Aufkleber wie „Berlin bleibt deutsch“ von Straßenlaternen abkratzt. Bei den Nazis ist sie die „Zeckenoma“, sie selbst sieht sich eher als „Politputze“.
Dass das Stück wieder aufgeführt werden kann, ist nicht zuletzt durch die finanzielle Unterstützung der Brüder Opolka aus Storkow möglich. Mit der Erfindung der LED-Lampe sind sie Millionäre geworden, heute machen sie Kampagnen gegen Fremdenhass. „Ich bin durch ihre Plakataktion gegen die NPD auf die beiden aufmerksam geworden“, so Rosh. Damals haben sie bei der Landtagswahl unter jedes NPD-Plakat ein eigenes gehängt, mit der Aufschrift: Der NPD den Vogel zeigen.
Das Stück erschafft durch seinen dokumentarischen Charakter eine unheimliche Nähe zum Wirken rechter Gewalt und auch zur Ignoranz der Mitte. „Es gibt Sachen, die können eben nur Betroffene erzählen“, so Rosh.
„Mit Tötungsdelikten ist zu rechnen“, ein Stück von Lea Rosh und Renate Kreibich-Fischer: Einmalig am Montag, 14. Dezember, 18 Uhr im Hans Otto Theater.
Theresa Dagge
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