
© Bernd Settnik/dpa
Von Gerold Paul: Dem größten Tyrannen gehuldigt
Heute wird im Schloss Paretz die Ausstellung „Luise. Kleider einer Königin“ eröffnet
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Schon in ihren Schuljahren zeichnete Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz Hüte und Hauben in ihre Hefte. Sie galt ein Leben lang als modebewusst, man kann auch sagen, supereitel. Welche Ausmaße das in ihrem nur 34 Jahre dauernden Leben annahm, zeigt die am heutigen Freitag eröffnende Ausstellung „Luise. Die Kleider der Königin“ im Schloss Paretz.
Natürlich sind die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg, die Leihgeber und die Sponsoren auf das Allerhöchste erfreut, dem Publikum die seit langem umfangreichste Sammlung von Kleidern, Accessoires und all dem, was eine Königin zum Ruhm ihrer Schönheit braucht, in der Originalkulisse ihres havelländischen Landsitzes zu zeigen. Paretz gleicht ja längst einem putzigen Bilderbuchdorf für gutgläubige Touristen und unbeschwerte Historiker. Auf der gestrigen Pressekonferenz vor Ort stellte Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh das Kontinuum zum Kulturland-Thema her: Anmut, Schönheit, gleicher Sinn – die Stiftung wolle mit diesem „ganz großartigen Finale“ noch einmal die Frauen der Hohenzollern stärker in den Blickpunkt rücken, sie ständen ja zu Unrecht im Schatten der Geschichte. Nach Sophie-Charlotte, Cäcilie und Christine ist nun die arme Luise samt ihrer längst verblichenen Kleider dran. Ein ganzes Jahr lang Luise, Luise, Luise. Schon witzig, dass Demokraten zu ihrer Legitimation nicht nur ein Schloss brauchen, sondern eine echte Königin dazu.
Ein paar Daten vorweg: Die bis zur Apotheose verklärte Gattin Friedrich Wilhelm III. war um die 1 Meter 72 groß, aber von schmaler Statur, hatte eine Schulterbreite von 38 Zentimetern und die Schuhgröße 41. Obwohl sie die Mode „den größten Tyrannen unserer Tage“ nannte, huldigte sie ihr über die Maßen. Sie abonnierte und sammelte die führenden Modejournale Europas, ließ sich aus Paris die neueste Klamotten schicken, und trug, weil ihre Thron-Kolleginnen von nebenan dasselbe taten, letztendlich dasselbe wie jene. Genau wie heute hatte auch damals schon Mode den langen Atem nicht. Luises Zeit zwischen Rokoko und Biedermeier, huldigte dem Empire-Stil, auch gräzisierender „Nymphenstil“ genannt. Die Kleider wurden unter dem Busen gegürtet, fielen dann „natürlich“, was auch der so oft schwangeren Luise zugute kam. Locker fallende Stoffe, fließende Formen, irgendwo schaute da noch der alte Exhibitionist Rousseau durch. Natürlich lockte die dezente Durchsichtigkeit der edelsten Stoffe die Begehrlichkeit der Männer, aber dagegen gab es Tücher aus Seide, Kaschmir und so. Die Modefarbe war Weiß.
Die Ausstellung „Luise. Die Kleider der Königin“ ist mehr oder weniger biographisch geordnet. In der Remise von Schloss Paretz findet man Zeugnisse ihrer Erziehung und Jugend, besagte Schulhefte, das Konterfei ihrer alleinerziehenden Oma, der Landgräfin von Hessen-Darmstadt, Hucks Bild vom Sechzehnten Ludwig auf dem Schafott, dann die Kleiderausstattung einer Kronprinzessin, dazu viele Gemälde. Glanzstück ist die restaurierte Staatskarosse, mit der Luise und Charlotte 1793 in Berlin zur Doppelhochzeit einfuhren. Ein kitschiges Ding! Neben sechs Roben, vier Negligés, einem Reitkleid, einer Uniformjacke, Zahnbürsten und Wangenrouge – alles Originale – zeigt das Schloss in seiner doppelten Zimmerflucht die Abteilungen: Frisuren und Kosmetik, Luises Staatsgala, Tücher und „Shawls“, Kleider als diplomatische Geschenke, Juwelen und Pretiosen und weiteren Firlefanz.
Ihrer privaten Mode-Manie wird genauso gedacht wie der orientalisch-griechischen Einflüsse auf das modebewusste Europa um 1800. In Preußens Schlössern waren zu tragen: Morgenkleider, Empfangskleider, Mittags- und Nachmittagskleider, Abendkleider, Staatskleider, Nachtkleider. Wenn Luise auch für ihre Ausbrüche aus den Gehäusen der Hörigkeit bekannt war, so hielt sie sich an die Hof-Etikette, das lernte sie von der Oma. Diese opulente Ausstellung ist Kulturgeschichte allemal, wenn auch eine, der man das Leben entzog. Immerhin war sie den Veranstaltern „eine höhere sechsstellige Summe“ wert. Preußen wird also immer bunter, ferner, war eigentlich so schön wie heut’ noch nie. Wenn dann aber Begleitveranstaltungen wie „Luises Kinderkleider“ auftauchen, müsste es doch dem Letzten peinlich werden. Derartige Exzesse kennt man ja. Im Moskauer Lenin-Museum waren einst selbst dessen Unterhosen hinter Glas zu bewundern.
Die Ausstellung ist ab morgen bis zum 31. Oktober täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr auf Schloss Paretz zu sehen
Gerold Paul
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