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"Ariadne auf Naxos“: Den Ariadne-Faden wieder aufgegriffen

Das Abenteuer Opernregie lässt ihn nicht los: Jürgen Hinz inszeniert nach 25 Jahren erstmals wieder. Für I Confidenti bereitet er das Melodram „Ariadne auf Naxos“ vor.

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Klammheimlich hat sich Theseus davon gemacht. Seine Geliebte Ariadne muss allein auf der öden Insel zurückbleiben. Wie geht sie mit dieser schwierigen Situation um? Welche Zukunftschancen hat sie? Jürgen Hinz interessiert das Psychologische der antiken Geschichte. Der Regisseur schwingt den Holzhammer einer radikalen Umdeutung – der heute gang und gäbe ist – nicht. Bei einer Probe zu dem Melodram „Ariadne auf Naxos“ von Georg Anton Benda des freien Theaters I  Confidenti erlebt man, wie Hinz mit Konzentration das Spiel der Protagonisten beobachtet. Nach einer kurzen Pause wird er während der obligatorischen „Kritik“ mit den Darstellern gemeinsam das Erarbeitete analysieren und optimieren. Jürgen Hinz, so spürt man, ist mit professioneller Sicherheit beim Inszenieren, obwohl er es für 25 Jahre ad acta gelegt hat.

Als er sich im vergangenen Jahr von seiner leitenden Tätigkeit im brandenburgischen Kulturministerium in den Ruhestand verabschiedete, fragte ihn Christine Jaschinsky, ob er Lust habe, bei I Confidenti Regie zu führen. Seit etlichen Jahren veranstaltet das Theater mit Erfolg den Barocken Theatersommer in Potsdam. In diesem Jahr wird das Melodram „Ariadne auf Naxos“ von Georg Anton Benda, einem Zeitgenossen Mozarts, in der Schinkelhalle zur Aufführung kommen. Nur kurz überdachte Hinz das Angebot. Er sagte Christine Jaschinsky zu und machte sich mit Begeisterung wieder an das Abenteuer Opernregie.

Die ersten Jahre seines Berufslebens hatten mit allem anderen – nur nicht mit Oper – zu tun. Nach dem Abitur studierte der gebürtige Niederlausitzer an der Bauhochschule Weimar Stadtplanung. Nur zwei Jahre war er nach dem Diplom in diesem Job tätig. Für solch fürchterlichen „Großbetonien“ wie beispielsweise in Berlin-Marzahn wollte er nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Liebe zum Musiktheater setzte sich durch. Die Operninszenierungen Harry Kupfers am Weimarer Nationaltheater haben ihn zusätzlich inspiriert. So begann er erneut zu studieren. Diesmal in Berlin. Jürgen Hinz wurde in die Opernregie-Klasse von Erhard Fischer an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ aufgenommen. Fischer, der zu den renommierten Regisseuren der DDR gehörte, der am Leipziger Opernhaus, an der Deutschen Staatsoper Berlin, wo er Chefregisseur war, und im Ausland regelmäßig inszenierte, wurde sein wichtigster Lehrer. Doch auch von der Regie-Größe Peter Konwitschny erhielt Hinz so manche Impulse für seinen zukünftigen Beruf.

Die ganze Palette des Musiktheaters mit Opern, Operetten und Musicals hat er auf die Bühne gebracht. Jürgen Hinz war ein erfolgreicher Regisseur und Oberspielleiter am Theater in Greifswald. Auch an anderen damals noch intakten Bühnen der DDR, an denen selbstverständlich Musiktheater zum Besten gegeben wurde, war er oft unterwegs, um Regie zu führen: in Brandenburg an der Havel, in Frankfurt an der Oder, Senftenberg oder in Stendal. Dann kam im Herbst 1989 die große Zeitenwende. Woher man kam und was man nicht länger ertragen wollte, darüber bestand Einigkeit. Doch wohin? Auch Jürgen Hinz stellte sich die Frage. Sind meine künstlerischen Ergebnisse noch gefragt im wiedervereinigten Deutschland? Muss ich meiner Familie nicht materielle Sicherheit bieten – statt ständig an den Theatern anzuklopfen?

Da bekam er Anfang der 90er-Jahre das Angebot, im brandenburgischen Kulturministerium, das sich gerade im Aufbau befand, mitzuarbeiten. Alles was mit Theater- und Orchesterfragen zu tun hatte, lag nun in Jürgen Hinz’ Verantwortung. Die mitreißende Aufbruchsstimmung der ersten Jahre hat das Team zusammengeschweißt. Viele schöne Erfolge konnten er und die Mitarbeiter für sich verbuchen, aber nicht alle Ideen konnten – durch manch finanzielle Zwänge – verwirklicht werden.

2014 kam der Ruhestand. Doch sich „auf die faule Haut legen“ kam für Jürgen Hinze nicht infrage. So arbeitet er nach wie vor als Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam. Den Studiengang Kulturarbeit bereichert Jürgen Hinz mit seinem großen Wissen über das Theater. Und nun die große Regie-Herausforderung nach zweieinhalb Jahrzehnten.

Im ersten deutschsprachigen Melodram „Ariadne auf Naxos“ von 1775, eine Mischgattung aus gesprochenem Schauspiel und Musik, brodelt es riesig. Die Emotionen schlagen hoch. Bendas Musik erläutert mit das gesprochene Wort, das der Schauspieler und Autor Johann Christian Brandes verfasste. Sie schließt damit Bereiche der Empfindung auf, die das Sprechtheater allein nicht erreichen könnte.

Die Töne leuchten in das Innenleben der Figuren hinein und bringen es zum Klingen. Für die musikalische Gestaltung der I-Confidenti-Aufführung ist das Ensemble Quatour Voltaire unter der Leitung des Violinisten Wolfgang Hasleder verantwortlich. Auf der Bühne stehen Alexandra Broneske als Ariadne, Michael Günther als Theseus sowie Steffen Findeisen als Oreade. Christine Jaschinsky hat wiederum das Bühnenbild und die Kostüme entworfen.

Bei aller Dramatik will Jürgen Hinz die Zuschauer jedoch nicht traurig entlassen – sondern heiter. Dafür wurde er beim Weimarer Goethe-Zeitgenossen August von Kotzebue fündig. Der beschäftigte sich nämlich auch mit der Ariadne. Doch auf seine unnachahmlich spöttische Art. Wie nun Benda und Kotzebue zusammengehen können, ist in der kommenden Woche beim Barocken Theatersommer zu erleben. Wie aber sieht es mit weiteren Regie-Ambitionen von Jürgen Hinz aus? Der antwortet ganz diplomatisch: Warten wir die Premiere ab.  

Die Premiere von „Ariadne auf Naxos“ findet in der Schinkelhalle, Schiffbauergasse, am 3. September um 20 Uhr statt. Weitere Vorstellungen am 12. September, 19 Uhr, 13. September, 16 Uhr. Tickethotline: 01805 700 733

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