zum Hauptinhalt

Kultur: Den Witz erstritten

Oscar-Preisträger Jan Sverák und sein Vater Zdenek waren zur Voraufführung von „Leergut“ im Thalia

Stand:

Diesen Film haben sich beide trefflich erstritten. Dass über ein Jahr Funkstille zwischen Vater und Sohn herrschte, weil sie sich nicht über das Drehbuch von „Leergut“ einigen konnten, ist dieser herzerfrischenden Alltagskomödie nicht anzumerken. Das Publikum im ausverkauften Saal des Thalia begrüßte denn auch den Oscar-Preisträger Jan Sverák und Vater Zdenek mit euphorischem Beifall. Das Gespräch nach der Voraufführung von „Leergut“ wirkte wie eine Verlängerung des Films. Spritzig und ohne Vorbehalt spielten sie sich die Bälle zu: treffsicher, aber nicht verletzend.

„Das Drehbuch hat mir sehr viel Arbeit gemacht“, erzählt Vater Zdenek, der auch als Hauptdarsteller Beppo brilliert. „Ich schrieb einen Film mit möglichst vielen lustigen Szenen. Doch mein Sohn wollte, dass der Film darüber erzählt, wie es ist, wenn Mama und Papa 40 Jahre zusammen leben. Ich hatte darauf gar keine Lust, schon aus Angst vor ,Mutter“.“ Obwohl alles für den Dreh fertig war, stoppte der Sohn rigoros die Filmmaschinerie. „Das ist mir noch nie passiert. Wir waren eine Zeitlang richtig verfeindet.“

Doch nach einem Jahr hatte Vater Zdenek ein Einsehen und er schrieb nun doch die Szenen (s)einer Ehe. Anders als bei Ingmar Bergmann hält sich die gegenseitige Zerfleischung aber in Grenzen, obwohl der graubärtige Schwerenöter seiner Gattin durchaus einiges zumutet.

Als er sich aus dem Lehrerdasein verabschiedet, weil ihm die vorlauten, besserwisserischen Gören einfach auf die Nerven gehen, versucht er sich als Pensionär. Doch Zuhause bei seiner Frau staubsaugend Trübsal blasen, ist so gar nicht sein Ding. Also sucht sich der noch immer von erotischen Abenteuern träumende Opa einen Job: in der Leergut-Annahme einer Kaufhalle. Hier gibt es einiges zwischen dem Geklapper der Flaschen zu tun, lassen sich amouröse Fäden bestens spinnen. Wenn schon die eigene Liebe auf Sparflamme köchelt, kann man vielleicht anderer Feuer schüren. Und so kuppelt Beppo, was das Zeug hält, und spart dabei auch die eigene Tochter nicht aus.

„Was ist an dem Film alles hausgemacht?“, wird der Drehbuchautor gefragt. „Wenn es die Möglichkeit gibt, sollte man sich als Schreiber immer am eigenen Leben orientieren“, so die Maxime Zdenek Sveráks. Ohne dokumentarisch sein zu wollen, entnahm er aber alle Dialoge zwischen Beppo und dessen Frau dem eigenen Ehealltag. „Auch wenn man ihn manchmal dazu zwingen musste“, setzt der Sohn nach. Einer dieser Dialoge geht in etwa so: Beppo sieht seine Gattin plättend bei einer Liebesschnulze. Kopfschüttelnd fragt er: „Wie kann sich eine Frau wie Du nur so einen Schwachsinn ansehen?“, worauf diese antwortet: „Hast Du schon mal gebügelt?“

„Vater mag Witze, dafür opfert er alles. Aber im Film muss man auch Tempo und Rhythmus halten“, bleibt der Sohn konsequent. Und dass er damit Recht hat, beweist nicht nur „Leergut“, sondern auch „Kolya“, für den er den Oscar bekam: auch damals mit dem Vater in der Hauptrolle.

Offensichtlich befruchten sich die beiden trotz oder gerade wegen des jeweiligen Eigensinns. „Bei den Dreharbeiten streiten wir uns aber nicht. Ich lobe ihn, sonst würde er nicht arbeiten. Und er tut so, als würde er nicht mitbekommen, dass es ein falsches Lob ist.“ Vor dem Dreh sei indes jeder Gag in jeder Szene nochmals genauestens unter die Lupe genommen worden. „Nun ist der Film lustig, aber durch Tränen gefiltert“, sagt Zdenek Sverák mit seinem vereinnahmenden, Schwejkschen Lächeln. Das Publikum in Potsdam zeigt sich begeistert von dem eigenwilligen Duo, ebenso wie von dem „witzigen, anrührenden und warmherzigen Film“, wie eine Besucherin es formulierte. Nicht umsonst räumte „Leergut“ 2007 die Publikumspreise in Hamburg, Karlovy Vary und Cottbus ab.

Nur mit dem Schluss konnte sich eine Zuschauerin nicht so recht erwärmen. Nachdem Beppo von einem Automaten aus seiner Leergutannahme vertrieben wird, lebt er nun wirklich seinen Traum: als Schaffner mit ihm zugewandten Damen – obwohl er gerade zuvor seine eigene Frau nach einem abenteuerlichen Ballonflug auch sexuell wieder entdeckte.

„Beppo ist jemand, der sich Zeit seines Lebens andere Frauen wünscht und erotische Träume hat. Das ändert sich nicht grundsätzlich durch einen einzigen Flug“, hält der Regisseur dagegen. Und der Vater stimmt diesmal mit ihm überein: „Meine Frau hasst allerdings diese Szene und meine Schwiegertochter auch. Aber ich sehe oft während der Vorstellungen ältere Frauen ihre Männer anschubsen und sie fragen: ,Und, hast Du dich erkannt?““

Ab 24. Januar im Kino.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })