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Heimat verpflichtet. Die Familie von der Marwitz in Friedersdorf. Bevor Landwirt Hans-Georg von der Marwitz und seine Frau Dorothee im Herbst 1991 ins sanierte Kavalierhaus ziehen konnte, lebten sie neun Monate in einem Wohnwagen.

©  Oliver Mark

Kultur: Der Adel ist zurück

Die Ausstellung „Heimat verpflichtet. Märkische Adlige – eine Bilanz nach 20 Jahren“ erzählt von 12 Heimkehrerfamilien

Stand:

„Achjottachjott – der junge Herr“, soll die Gastwirtstochter Trudchen Wilke ausgerufen haben, als Friedrich-Carl von Ribbeck zu DDR-Zeiten sein Heimatdorf wieder besuchen durfte, dabei Herrenhaus und Birnbaum ausgiebig betrachtete. Erinnerungen wurden auch bei Trudchen Wilke wach, an die Zeit, als der Nazigegner Hans von Ribbeck von den Braunen verhaftet und schließlich ermordet wurde, als Anfang der 40er Jahre das Schloss durch eine Dienststelle der IG Farben sowie einer Luftwaffeneinheit der Wehrmacht besetzt und das Schloss zu DDR-Zeiten in ein Pflegeheim umgewandelt wurde.

Es vergingen mehr als 50 Jahre, bis die Familie derer „von Ribbeck auf Ribbeck“ wieder ins Brandenburgische ziehen konnte, nicht ins angestammte Schloss, sondern in ein neu gebautes Haus. Eine Rückübertragung wurde richterlich abgelehnt, dafür setzte man eine Entschädigungssumme fest. Friedrich-Carl von Ribbeck ist alles andere als ein feudaler Herr, der herablassend auf die Bewohner schaut. Aus dem „jungen Herrn“ ist aber längst ein gestandener Ribbecker geworden, der sich mit seiner Familie in das Dorfleben integriert. Aus Birnensaft produziert er hier nun feine Edelbrände und Essig.

Die Autorin Martina Schellhorn und der Fotograf Oliver Mark erzählen in der Ausstellung „Heimat verpflichtet. Märkische Adlige – eine Bilanz nach 20 Jahren“ in der Landeszentrale für politische Bildung sowie in dem gleichnamigen Buch nicht nur über die Rückkehr der Ribbecks in das Land ihrer Vorfahren, nach Brandenburg, sondern auch über weitere elf Familien. Martina Schellhorn hat intensiv recherchiert, mit den Betroffenen ausführliche Gespräche geführt und einen sehr gut lesbaren Text geschrieben, der einen spannenden Einblick in Geschichte und Gegenwart Adliger in Brandenburg liefert. Oliver Mark hat die längst Angekommenen in ihrer näheren Umgebung fotografiert. Die Familienmitglieder posierten nicht beim Anblick der Kamera mit dem Gegenüber. Sachlich, ein bisschen distanziert, doch nicht von oben herab und keinesfalls dem neuesten Modetrend verfallend, so erlebt man in Oliver Marks Bildern die heutigen Adligen. Die Geschichte der Familien, des Ortes sowie die Atmosphäre der märkischen Landschaft werden auch visuell ans Licht geholt.

Die bei Kriegsende Richtung Westen geflohenen Mitglieder der großen Häuser der Mark Brandenburg wie die Lynars, Hardenbergs, Arnims oder die Marwitzens kehrten nach der politischen Wende 1990 wieder in ihre Heimat zurück. Sie kamen nicht als Raubritter. Was bei dieser märkisch-adligen Renaissance deutlich wurde, war kein Preußen, ein auf Militär und Disziplin gegründeter Machtstaat, der den Adel in seinen Dienst nahm, sondern eine von den Vorfahren in Jahrhunderten geprägte Kulturlandschaft, die sich aus Heimatliebe und Familiensinn wiederherstellte.

Das einst im Zuge der Bodenreform von den sowjetischen Besatzern kassierte und in Bauernhand gelegte Land blieb 1990 von der Rückübertragung ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diesen Rechtszustand. Ein Wiedererwerbsrecht wird ihnen aber seitdem eingeräumt – sie dürfen ihren alten Familienbesitz zurückkaufen. Die rückkehrenden Adligen kamen nicht als Herrschaften, sondern zumeist als Unternehmer, die vor allem in der neuen ökologischen Landwirtschaft erfolgreich wurden. Auf ihren Schollen haben so manche für ein kleines Wirtschaftswunder gesorgt, nachdem sie auch misstrauisch empfangen wurden und sich tapfer durch Bauschutt und Bürokratie schaufelten. Sie gaben nicht auf, denn Heimat verpflichtet.

Dazu gehört auch die Familie von der Marwitz in Friedersdorf in Märkisch-Oderland. Zunächst mussten sich der Landwirt Hans-Georg von der Marwitz und seine Frau Dorothee 1990 für neun Monate in einem Wohnwagen einrichten, da sie nirgends eine Wohnung fanden. Doch sie setzten alles daran, das Kavalierhaus zu sanieren und zu restaurieren. Im Herbst 1991 zog die Familie, die zuvor im Allgäu wohnte, nach und nach in ihr neues Zuhause ein. In Friedersdorf wurde auf rund 800 gekauften und gepachteten Hektar Land ein gut florierender Landwirtschaftsbetrieb aufgebaut.

Es ist nicht zu übersehen, dass die Mischung aus Literatur und Birnensaft, aus Theodor Fontane, Günter de Bruyn und Fahrradausflug die Mark längst wieder anziehend gemacht hat. Dazu gehört auch der Adel, jedoch nicht als Ausstellungsstück, sondern als Teil des Landes Brandenburg, das auch von seiner Geschichte lebt.

Ausstellung „Heimat verpflichtet“ ist noch bis zum 11. April in der Landeszentrale für politische Bildung in der Heinrich-Mann-Allee 107 (Haus 17), montags bis mittwochs 9-18 Uhr, donnerstags und freitags 9-15 Uhr zu besichtigen. Das Buch für zwei Euro ist nur in der Landeszentrale erhältlich

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