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Kultur: Der Andersmacher

Regisseur Ramould Karmaker zu Gast bei Rosa von Praunheim in der Filmhochschule

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Regisseur Ramould Karmaker zu Gast bei Rosa von Praunheim in der Filmhochschule Von Marion Hartig Nicht oft hat sich der Filmemacher Ramould Karmaker in seinem Leben in Filmhochschulen sehen lassen. Er ist einer, der es ohne Studium zum anerkannten Regisseur gebracht hat und mit seinen Filmen auf Festivals in Locarno, Venedig und Berlin glänzte. Aber HFF-Professor Rosa von Praunheim hat nicht locker gelassen, bis der in Berlin lebende Filmemacher doch noch Videos und DVDs in der Tasche verstaute und in der Filmhochschule „Konrad Wolf“ eine Werk-Retrospektive auspackte. Nur den 1995 gedrehten „Totmacher“, die kammerspielartig gefilmte Geschichte über den Massenmörder Fritz Haarmann bringt er nicht auf die Leinwand. Nach dem Kinostart gab es Ärger mit seinem Hauptdarsteller, Götz George. In den Medien hatte der „Fernsehkommissar“ das kommerziell äußerst erfolgreiche Spielfilmdebüt von Karmaker als sein Werk verkauft, erklärt Rosa von Praunheim dem Publikum. „Es lohnt sich nicht darüber zu reden“, würgt Ramould Karmaker das Thema ab. Der Regisseur beginnt seinen Rückblick ganz am Anfang. 1965 wurde er in Wiesbaden geboren, mit sieben Jahren zog er nach Athen, 1982 kam er nach Deutschland zurück und ging nach München. Er hat eine französische Mutter, einen indischen Adoptivvater, sein leiblicher Vater ist Perser, erklärt er seinen ungewöhnlichen Namen. Aus seiner Geschichte heraus seien seine Filme entstanden, die Themen, die politische Sicht, die Machart. Er erzählt von seinem ersten Film, einem Super 8 Streifen, den er mit Freunden in München über das Privatleben Hitlers drehte. In chronologischer Folge zeigt er Filmausschnitte seiner Arbeiten. In „Coup de Boule“, einem 16 Millimeterfilm, der 1988 auf der Berlinale lief, hämmern muskelbeladene, französische Soldaten mit der Stirn gegen Schrankwände. Er berichtet von den Filmen danach, in denen er Hahnenkämpfe in Nordfrankreich dokumentiert und Porträts von Hamburger Pitbullbesitzern zeichnet. In „Warheads“ hält der Regisseur die Kamera aus dem Auto auf zerstörte kroatische Dörfer. Ein Söldner in Großaufnahme hält Soldaten der Armee für naiv, „sonst würden sie nicht kämpfen, ohne Geld dafür zu kriegen“. Warum keine Begleitmusik zu den stillen Dokumentaraufnahmen, warum keine kommentierende Stellungnahme zu den gewalttätigen Bildern, hat die Filmkritik Ramould Karmaker gefragt. Werden derartige Darstellungen nicht bewertet, sind sie politisch unkorrekt, hat man ihm erklärt. Der Regisseur sieht das anders. Er stellt ein Stück Wirklichkeit dar. Immer wieder muss sich Karmaker für seine Filme rechtfertigen, sich wehren gegen den Vorwurf der Gewaltverherrlichung, sogar faschistoide Neigungen hat man ihm zugeschrieben. Vorwürfe, die nicht ganz unbegründet scheinen, sieht man sich einzelne Szenen an, wie in „Demontage IX“, einem Kurzfilm, in dem ein Künstler kopfüber an einem Seil zwischen zwei Platten hin und her geklöppelt wird. In nicht enden wollender Einstellung hält der Regisseur die Kamera auf die gespielte, durchaus ästhetisch präsentierte Gewalt. Nur geht der Film weiter, setzt er die Szene in Kontrast mit der folgenden, einem Walzertanz, und schafft übergreifende Zusammenhänge. Leider geht der Regisseur an diesem Abend nur am Rande auf die tieferen Motive seiner Themenwahl ein. Die Schattenseiten des Lebens darstellen zu wollen, reicht als Argument kaum aus. Auch mit seinem neuen Projekt „Die Nacht singt ihre Liede“", das im Februar 2004, nach der Berlinale, in die Kinos kommt, stieß Ramould Karmaker zunächst auf Ablehnung. Der Bayrische Rundfunk, das ZDF lehnten den Streifen ab. „Kein Kino, zu depressiv, zu zynisch“, fanden die Entscheider der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten die Liebesgeschichte nach dem norwegischen Theaterautor Jon Fosse. Erst nachdem sich Filmkritiker für ihn einsetzten, kam ein Anruf von Arte und die Unterstützung des Bundeskulturministeriums zu dem 1,7 Millionen Euro-Projekt. Er ist keiner, der rosarote Filme mit Happy End . Aber schließlich schreibe das Leben gerade solche Geschichten. Warum, fragt er, sollen Filme ausschließlich visionär sein, warum kann nicht ein Teil der Filmwelt realistische, auch auswegslose Bilder zeigen? Erst als eine Kostprobe des neuen Projektes vom Publikum beklatscht wird, entspannen sich seine Gesichtszüge. Da sieht man dem radikalen Andersdenker an, dass ihm das Filmemachen Spaß macht.

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