Kultur: Der Autofahrer und die Steinnachbildnerin
Natur mal anders: Galerie Samtleben zeigt Malerei von Peter Berndt und Plastiken von Dorothea Nerlich
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Man kann nicht sagen, dass Peter Berndt ein typischer Landschaftsmaler ist. Er stellt sich nicht mit Pinsel und Staffelei in die freie Natur und hebt sie nicht, wie die Romantiker, felsig und abgründig in heroische Höhen. Er bildet sie auch nicht ab, fängt nicht das richtige Licht und die Stimmung ein, wie die französischen Landschaftsmaler des Naturalismus. Oder später die Impressionisten, die das Atmosphärische einer Landschaft in sanften Farben auf die Leinwand zu bringen suchten. Der 1937 in der Oberlausitz geborene Berliner Künstler hat seine ganz eigene, sehr zeitgemäße Sicht auf die Natur. Und zwar die des Autofahrers.
Berndt setzt sich in seinen Wagen, fährt durch die Mark Brandenburg und hält hin und wieder, um Bleistiftskizzen anzufertigen. Die bringt er dann in seinem Atelier auf die Leinwand. Was dabei entsteht, ist alles andere als Naturabbildung. Es ist so etwas wie die Bilder von am Autofenster vorbeigleitenden oder auch vorüberrasenden Wäldern und Alleen, fast expressionistisch schnelle Farbspiele, die oft künstlich, zumindest aber unnatürlich wirken. Menschen kommen in seiner Autofahrerwelt nicht vor, gelegentlich bettet er unauffällig kleine Dörfer mit Kirchen oder Wehre in seine Bilder ein.
Eine Auswahl seiner in den vergangenen zehn Jahren entstandenen Werke, Malerei und Aquarelle, ist zur Zeit in der Galerie Samtleben zu sehen. Daneben werden keramische Plastiken der in Potsdam und Berlin tätigen Dorothea Nerlich gezeigt.
Nerlichs über die Räume verteilte Kunst ist auf Harmonie und Schönheit bedachte Tonarbeit in Rotbraun – und ein angenehmer Ruhepol zu den aufgeregten Landschaftsbildern von Berndt. Die Potsdamer Plastikerin zeigt rundliche, steinartige Formen mit Öffnung, eine Muschel, Schalen und Teller mit unglatten Oberflächen, mit Rissen, feinen Furchen und auch mal eingebrannten Kieselsteinchen. Ihre Werke sind standhafte Naturschönheiten, die den Boden unter den Füßen festhalten, der dem Betrachter ab und zu verloren gehen kann, wenn er sich zu sehr in die Malerei von Berndt versenkt. Da ist zum Beispiel Nummer 4 „Spiel der Schatten“ des Künstlers, der bis 2002 Dozent an der Berliner Hochschule der Künste war. Ein Bild mit viel Geschwindigkeit. Die am gelben Horizont um eine Kurve biegende Straße funktioniert wie ein Sog, der den Blick des Betrachters mit sich zieht. Die Bäume rauschen nur so vorbei. Und trotzdem hat das Bild Halt: große, schmale Baumstämme rechts und links geben der blättrigen Farbunruhe einen Rahmen.
In allen möglichen Variationen – klein und groß, mit gedeckten oder leuchtenden Tönen, mit nur angedeuteten Formen oder auch detailverliebt – schmücken die Baumlandschaften die Galerie. Eine schöne Idee, den Rückspiegel des Wagens in ein Bild einzubauen, unauffällig im oberen Drittel, und doch ganz selbstverständlich. Natur und Auto gehören bei Berndt zusammen. Und seine künstlerische Verbindung von Technik und Natur ist durchaus interessant.
Wenn sich die Motive nur nicht ständig wiederholen würden. Alleen in bräunlichen Tönen, Alleen in lila Farben oder mit weißen Baumblüten. Wälder im Sommer, Wälder im Winter. Zwar wechseln auch die Baumarten, trotzdem sind sich die Werke in ihrer Machart sehr ähnlich. Ein willkommener Kontrast, eine Baumerlösung, dann: die über ein Bild purzelnden Pilze, Schleusen in der Landschaft, die Fähre bei Ketzin. Wobei auch auf diesen Bildern die Natur dominiert, die Bauten wie aus ihr erwachsen scheinen. Eine Abwechslung auch die Blumenbilder, die, wie die Landschaften, Künstlichkeit ausstrahlen. Die „Pusteblumen“ stellt Berndt als weiße, leuchtende Kugeln dar, die wie Glas aussehen, so perfekt rund dürften sie nur einen winzigen, unsichtbaren Moment lang existieren, bevor sie auseinander fallen – in der „wirklichen“ Natur.
Peter Berndt, der Autofahrer, bleibt zwar in seinen Landschaftsdarstellungen nah an der Natur, konstruiert sich aber seine eigene Landschaften, ohne Anspruch auf Realismus. Ganz anders als Dorothea Nerlich. Ihre Arbeiten erinnern an abstrakte Naturempfindungen, die weit weg gehen von Landschaft und sie doch in unbestimmter Weise widerspiegeln.
Brandenburger Str. 66, bis 22. April
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