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Kultur: Der Blick ins Gesicht

Am Sonntag endeten die libanesischen Filmtage

Es ging um das Gesicht des Libanon. Ein anderes Gesicht sollte bei den libanesischen Filmtagen im Potsdamer Filmmuseum, die am Sonntag Abend zu Ende gingen, gezeigt werden als das flüchtige, das die Fernsehnachrichten prägen. Dieses Gesicht ist das des Krieges. Nach vier Tagen, 26 Kurz- und Spielfilmen und einer Podiumsdiskussion zeigte sich das andere: Ebenfalls ein Gesicht des Krieges.

Samstag Abend während der Podiumsdiskussion: Der Saal ist über die Hälfte gefüllt. Auf der Bühne neben der Leiterin des Filmmuseums, Bärbel Dalichow, die in Berlin lebende Filmemacherin Myrna Maakaron, die bei der Auswahl der Filme geholfen hat, ein Vertreter des libanesischen Kulturministeriums, Paul Mattar, Leiter einer Filmhoschule im Libanon und die beiden Filmemacher Jocelyne Saab und Waël Noureddine.

Jocelyne Saab, 58 Jahre alt, saß fast bewegungslos auf der Bühne, lächelte und beugte sich nur nach vorn, wenn sie ins Mikrofon sprach. Waël Noureddine, 30 Jahre jünger, rechts neben ihr, ruhelos auf seinem Stuhl, sich ständig Wasser nachschenkend oder mit den Fingern über den Tisch wischend. Von beiden waren zuvor Filme gezeigt worden. „Beyrouth, ma ville“ (1982) ist Jocelyne Saabs Auseinandersetzung mit dem Krieg in ihrem Land, der seit Mitte der 70er Jahre zwischen religiösen Lagern tobte und in den nun nach Syrien auch Israel eingegriffen hatte. Saab ließ dem Zuschauer Zeit, mit ruhigen Bildern und langen Kameraeinstellungen sich in das Geschehen einzufinden.

Noureddines „July Trip“, einer der besten Beiträge dieses Filmfestivals, entstand im vergangenen Sommer während der 34 Tage, in denen die israelische Armee Bomben- und Raketenangriffe auf den Libanon flog, weil zwei israelische Soldaten im Grenzgebiet von der Hisbollah-Miliz entführt worden waren. Noureddine ließ dem Zuschauer keine Zeit, sich zurechtzufinden. Mit harten Schnitten stürzt er von einem Geschehen ins nächste. Überall dorthin, wo der Krieg mit seiner mörderischen Pranke gerade hingelangt hat. Eine atemlose Tour de force, ein Strudel, in den Noureddine einen hinein zerrte, und irgendwann blieb nur die Hoffnung, alles ohne Schaden zu überstehen. Zwei Generationen von Filmemachern mit ihrem ganz persönlichen Blick auf die vom Krieg geschundene Heimat. In Saabs „Beyrouth, ma ville“ überwiegt die Hoffnung, in Noureddines „July Trip“ der Tod.

Welches Gesicht soll ein Land zeigen, das immer wieder vom Krieg heimgesucht wird? Der Krieg blieb Schablone, die Grundierung für die Geschichten eines Großteils der gezeigten Filme, denn der Krieg hat die Menschen in diesem Land geprägt. Doch Mitleid verbat sich Waël Noureddine in der Podiumsdiskussion. Als Kind habe der Krieg seine guten Seiten gehabt, wenn die Schule ausfiel. Und später habe man sich mit dem kriegerischen Alltag arrangiert.

Der ungarische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Imre Kertész hat geschrieben, dass es keine Absurdität gäbe, in der man nicht ganz normal leben könnte. Das Leben in dieser Absurdität, in der es auch viele schöne Seiten geben kann, war in diesen Filmen zu sehen. Sie haben ein Gesicht des Libanon gezeigt, in das der Krieg mit den Jahren viele Narben gebrannt hat. Doch die wenigen, die sich die Zeit nahmen – bei manchen Filmen saßen nur fünf Zuschauer im Kino – konnte sehen, dass Narben nur einen Teil eines Gesichts ausmachen. Dirk Becker

Dirk Becker

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